19.07.23: Beim Sonnenkönig in Versailles
Um 05:20 Uhr starte ich mit dem Bus in Richtung Frankreich. Bis Lacanau-Océan sind es knapp 1200 Kilometer, daher plane ich einen Zwischenstopp in Versailles ein. In Paris war ich schon oft, aber noch nie am Schloss des Sonnenkönigs.
Die Fahrt klappt gut, es ist nicht allzu voll auf der Autobahn und auch um Paris herum ist es gut zu fahren. Für die Autobahnabschnitte, die man bezahlen muss, habe ich mir eine kleine Mautbox besorgt. Die klebt hinter dem Spiegel innen auf der Windschutzscheibe und öffnet mir die Schranken an den Mautstationen, ohne dass ich anhalten muss. Abgerechnet wird dann später über mein Konto. Das ist sehr komfortabel und funktioniert problemlos.
Kurz vor dem Schloss in Versailles gibt es plötzlich einen Tunnel, der ebenfalls Geld kostet. Der kommt so schnell, dass ich gar keine Gelegenheit habe, ihn nicht zu durchfahren, da die Abfahrt unmittelbar am Tunnel ist, ich mich aber auf der linken Spur befinde. Macht ja nix, ich nehme einfach den Tunnel. Gut, dass mein Bus nur 1,92 Meter hoch ist, denn der Tunnel ist nur für Fahrzeuge bis 2 Meter Höhe vorgesehen. Ich fahre problemlos unter einer Schranke her, die als Höhenkontrolle zur Tunneleinfahrt dient. Dann geht es zusammen mit anderen Autos in eine Fahrbahnrinne, an deren Ende sich ein Kassenautomat und eine Schranke mit Ampel befindet. Ich habe ja die kleine Mautbox und muss noch nicht einmal anhalten. Denke ich jedenfalls!
Leider will sich die Schranke nicht öffnen und die Ampel bleibt rot! Ich nehme die Mautbox aus ihrer Halterung und halte sie mit dem Barcode an den vorhandenen Scanner, vielleicht hilft das ja. Leider nein. Soll ich nun ein Ticket ziehen? Für 8,60€? Ganz schön happig für einen kleinen Tunnel. Dann sehe ich den Notfallknopf und drücke drauf. Bestimmt kann die Schranke manuell geöffnet werden, wenn die Mautbox nicht funktioniert. Es meldet sich eine Frau und ich erkläre ihr, dass meine Mautbox nicht erkannt wird. Sie sagt, mein Fahrzeug sei zu hoch für den Tunnel. „No, that’s not true. My car is less than two meters high!!“ erkläre ich ihr. Dann kommt das Killerkriterium: „Your bikes are higher!“
Ach du Scheibenkleister, daran hatte ich gar nicht gedacht. Die beiden Fahrräder ragen tatsächlich etwas über das Dach hinaus und offenbar mehr als acht Zentimeter. Ich frage, was ich denn nun tun soll. „You have to go back and take the exit lane.“ Zurück? Ich fasse es nicht. Da gibt es wirklich eine Ausfahrtspur für Doofe, die nicht gecheckt haben, dass der Tunnel nicht für sie ist. Leider muss ich nun zurücksetzen und mit mir alle nachfolgenden Fahrzeuge, die die ganze Zeit in der Fahrbahnrinne gewartet haben. Oh je, die tun mir leid, aber es ist nicht zu ändern. Also rückwärts raus aus der Spur, gegen die Fahrtrichtung gewendet und die Ableitungsspur für Besserwisser nehmen. Gut, dass mich hier niemand kennt.
Ich umfahre den sowieso viel zu teuren Tunnel und finde dafür einen schönen Umsonstparkplatz in der Nähe des Schlosses. Den hatte ich zu Hause schon recherchiert und finde ihn auch so vor. Nach zehn Minuten Fußweg bin ich am Schloss. Da empfängt mich bereits Louis XIV auf einem Pferd direkt vorm Eingang. Die Palastanlage soll eine der größten in Europa sein und sie diente den französischen Königen bis zur französischen Revolution als Residenz und Regierungssitz.
Ich sehe mir zuerst die Gärten an, die schön symmetrisch in einem besonderen Muster angelegt sind. Zwischendurch gibt es Brunnen und Springbrunnen und jede Menge weiße Statuen. Es wird auch klassische Musik gespielt. Bach, Mozart und Beethoven begleiten mich beim Durchschreiten der großen Gartenanlage und ich komme mir selbst schon wie eine Königin vor.
Dann darf ich ins Schloss und erfreulicherweise darf man auch innen Fotos machen. Die Säle beeindrucken mit ihren vielen Bildern und Deckengemälden sowie Statuen und Büsten von wichtigen Persönlichkeiten. Das Schloss ist riesig, ein Saal folgt dem näxten und es scheint gar nicht enden zu wollen. Unheimlich viele Menschen schieben sich durch die Räume. Der lange Spiegelsaal mit den Kristallkronleuchtern ist wirklich faszinierend. Das hätte ich mir längst einmal ansehen sollen, nun freue ich mich aber einfach, dass ich hierher gefahren bin.
Ich fahre weiter, um einen Schlafplatz für die Nacht zu finden. Mit der praktischen App park4night lässt sich sicher schnell ein Umsonstplatz für die Nacht finden. Ich suche in der Umgebung von Blois ca. 200 Kilometer südlich von Versailles. Da gibt es einen schönen Platz an der Loire, schreibt die App. Ich gebe die Adresse ins Navi ein und lasse mich leiten. Der Platz liegt etwas einsam und ich muss erst durch den engen Ort fahren und an einem Maisfeld entlang. Direkt neben dem Friedhof ist dann Ende mit der geplanten Fahrt zum Stellplatz. Da ist ein Metallzylinder, der aus dem Asphalt ragt. Den kann ich auch nicht umfahren, weil links und rechts dicke Hinkelsteine liegen.
Ich frage eine Frau, die zum Friedhof möchte, ob es da einen Stellplatz gibt und ob sie weiß, wer den Schlüssel zum Zylinder besitzt. Sie spricht ein wenig Englisch und ich verstehe, dass dieser Stellplatz gar nicht existiert. OK, das war schon mal nix mit der App. Ich suche nach einer Alternative, die aber erst im näxten Ort zu finden ist. Also erst einmal zurück durch die engen Dorfstraßen. Leider darf ich nicht denselben Rückweg nehmen, da einige Straßen Einbahnstraßen sind. Nun leitet mich das Navi immer tiefer durch den Ort und die Straßen werden so eng, dass die Einparksensoren einen Dauerton abgeben, da der Abstand zur Mauer links und rechts immer irgendwo unterschritten wird.
Ich mache erst mal den nervigen Piepser aus und bin heilfroh, dass ich keinen Pössl habe. Mit dem würde ich jetzt feststecken. Zurücksetzen ohne Einweisung ist hier schier unmöglich, mit nicht viel besser. Ich hoffe, dass die Wege nicht noch enger werden und ich mit dem langen Bus durch die Kurven komme ohne irgendwo anzudengeln oder einfach festzustecken. Irgendwann bin ich raus aus diesem Labyrinth und es geht weiter in den näxten Ort.
In Valloire-sur-Cisse ist tatsächlich der beschriebene Stellplatz und ich befinde mich direkt an einem kleinen See in der Nähe der Loire. Da stehen auch schon andere Camper und es gibt sogar ein Klohaus und eine Wasserstation. Und es gibt ein Schild mit dem Hinweis, dass man hier ganz kostenlos stehen darf. Wunderbar, da kann ich nun schön schlafen. Um acht Uhr morgens geht es weiter. Ich fahre eine ganze Zeit lang an der schönen Loire entlang und dann über die Autobahn nach Lacanau-Océan.
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23.07.23: Lacanau-Océan
Endlich in Lacanau-Océan! Hier liegen viele Erinnerungen an viele Familienurlaube. Mit dem weißen Bus, mit Mondeo und Wohnwagen, mit Mondeo und Zelt und nun erstmalig mit der roten Kirsche. Was für ein Glück, dass man auf dem Weg nach Nordspanien in Lacanau vorbeikommt. Da kann ich doch prima ein paar Tage Station machen. Rixa hatte dieselbe Idee und spontan entschieden mit mir in Lacanau zu weilen. Wie schön.
Der Campingplatz, auf dem wir sonst immer standen, ist erwartungsgemäß ausgebucht. Also suche ich wieder nach einem Stellplatz für einige Nächte. Den gibt es auch, direkt zwischen Hubschrauberlandeplatz und Hauptstraße. Hört sich ziemlich ruhig an, die Bewertungen bestätigen meine Vermutung. Leider kann man den Platz nicht reservieren, aber als ich ankomme sind noch genügend Plätze frei und ich finde einen schönen im Halbschatten unter hohen Pinien. Einen Haken hat der Platz jedoch: Es gibt kein Klo, dafür Wasser und Strom. Gut, dass ich ein Notklo an Bord habe, jetzt nützt es mir zum ersten Mal etwas.
Ich fahre erst einmal mit dem Fahrrad los. Die schönen Fahrradwege durch die Pinienwälder sind wie sonst. Es gibt sogar Fahrradtunnel, kleine beschilderte Kreuzungen und eine Werkzeugstation mit Lufttankstelle. Dann fahre ich durch den Ort und prüfe, ob noch alles so ist wie früher. Zuletzt waren wir 2017 zusammen mit den Kindern hier. Der schöne blaue Surfclub und das geliebte Banana Surf Café sind zum Glück immer noch da. Das Banana Surf Café hat sogar eine Außenterrasse dazu bekommen. Ansonsten hat sich der Ort mächtig vergrößert, mehr Gastronomie, höhere Häuser mit Unterkünften, mehr Fußgängerbereiche, die beiden neuen Strandbuden haben eine Dachterrasse dazu bekommen und mehr Killefittläden. Mmmmh, der einstige Charme hat etwas nachgelassen.
Dann sehe ich auf den Strand und bin entsetzt. So viele Menschen auf einmal habe ich da noch nie gesehen, es ist alles voll mit bunten Menschen und Sonnenschirmen. Weiter nördlich ist der Zugang zu unserem alten Campingplatz, auf dem wir immer standen. Auch da ist es total voll. Das sehe ich mir morgen zusammen mit Rixa noch einmal genauer an. Ich habe nämlich für die zwei Nächte einen Platz auf Les Grands Pins bekommen. Damit überrasche ich sie, sie wird sich freuen ihr alte Urlaubsheimat wiederzusehen.
Nach einer Fahrradtour durch die Pinienwälder und zum Lac de Lacanau hole ich Rixa vom Flughafen in Bordeaux ab. Sie ist vor einigen Tagen über 300 Kilometer auf dem Jakobsweg bis nach Santiago de Compostela gelaufen. Wir hatten beide unabhängig voneinander diese verrückte Idee und mein Plan ist es, den Camino auch zu laufen., wenn ich in Spanien bin. In Lacanau ist die Übergabe der Wanderutensilien, die ich übernehme. Tausende hilfreiche Ratschläge habe ich schon während Rixas zweiwöchiger Wanderung erhalten und ich habe großen Respekt vor der Tour.
Nun ist Rixa bei mir, wir haben die erste Nacht noch am Hubschrauberlandeplatz verbracht und wechseln jetzt auf den angestammten Campingplatz Les Grands Pins. Der weckt ebenso Erinnerungen an die vielen Familienurlaube, die wir hier verbracht haben. Wir bekommen einen schönen Stellplatz im Halbschatten und stellen fest, dass es auch auf dem Campingplatz einige Veränderungen gegeben hat. Irgendwie ist es einfach rummeliger geworden, es gibt so viele Angebote, dass man den Campingplatz eigentlich gar nicht mehr verlassen muss. Auch dieser hatte früher einfach mehr Atmosphäre.
Wir fahren mit dem Fahrrad ins Dorf und setzen uns erst einmal auf die Dachterrasse vom Beachhouse. Die Aussicht ist grandios und die Getränke preislich ganz moderat. Also ein Spot zum Wiederkommen. Heute ist der Ort auch nicht so voll, auch am Strand liegen weniger Menschen. Einige Surferkarawanen mit Surfschülern gehen zum Meer. Wir schlendern durch den Ort und finden sogar einen Austernstand, an dem ich ein paar Tierchen mit Zitronensaft und einem Glas Weißwein schlürfen darf.
Auf dem Rückweg zum Campingplatz machen wir die Traditionsfotos vorm blauen Haus des Lacanau Surf Clubs. Die Sonne steht gut und wir wechseln uns ab. Nur für das Foto mit uns beiden zusammen suchen wir einen Fotografen. Ich stelle mich an die richtige Position, stelle die Kamera ein und dann muss der gefundene Laienfotograph nur noch aufpassen, dass er das blaue Haus GANZ im Bild hat. Eine total einfache Anweisung, denken wir. Wir stehen vorm blauen Haus und reißen die Arme hoch.
Der Mann geht von der zuvor festgelegten optimalen Fotoposition auf uns zu und macht nun Fotos. Rixa sagt:“ The whole house, please!“ Er antwortet: „Yes, yes.“ Wir wissen beide, dass das so nicht funktionieren kann. Rixa: “Let me check, please.“ Natürlich hat er das Dach und beide Seiten abgeschnitten, das war uns klar. Nicht umsonst hatten wir ihm die Kamera weiter weg vom Haus an der richtigen Position in die Hand gegeben, damit das ganze Haus auf dem Foto ist.
Rixa zeigt ihm die abgeschnittenen Hausteile und schickt ihn zurück auf die vorherige Position. Nun schafft er es tatsächlich ein einziges Foto zu machen, das das ganze Haus zeigt. Wir bedanken uns natürlich bei dem freundlichen Mann. Die Fotoapp schafft dann noch die Begradigung des schiefen Hauses und voila, haben wir unser Foto. Warum Menschen nicht in der Lage sind, ein einfaches Foto zu machen, wenn man ihnen schon alles einstellt und ihnen die richtige Position weist, bleibt uns wie immer ein Rätsel.
Am Abend treffen wir uns mit Jens, einem meiner Kollegen mit Familie, die auf einem Campingplatz in der Nähe ihren Sommerurlaub verbringen. Wir setzen uns mit einer Flasche Rotwein an den Strand und genießen den Sonnenuntergang. Am nächsten Tag setzen wir uns zuerst wieder auf die Dachterrasse am Beachhouse und bummeln dann durch die Tourilädchen, in denen wir hier und da fündig werden.
Natürlich darf ein Besuch im Banana Surf Café nicht fehlen. Wir genießen die herrliche Aussicht aufs tiefblaue Meer mit den schönen Wellen und dem frischgezapften Bier auf dem Tisch. Uns fallen sofort die schönen T-Shirts der Bedienungen auf. Ich frage die Chefin, ob man die kaufen kann. Sie zögert etwas, meint dann aber, dass ich mal im Surfshop nebenan fragen soll, da würden vielleicht noch welche sein. Sie hat recht. Wir freuen uns über die schönen Trophäen von unserem Lieblingscafé!
Für den letzten Abend wünscht sich Rixa in einem der Restaurants mit Meeresblick Muscheln essen zu gehen. Eine hervorragende Idee! Wir finden einen sehr netten Kellner im La Mariniere, der unser Anliegen versteht und die Muscheln für Rixa speziell zubereiten lässt, so dass sie sie essen kann.
Am nächsten Morgen geht es ein letztes Mal auf einen Kaffee und eine heiße Schokolade auf unser Beachhouse. Wir sehen noch einmal aufs Meer und freuen uns, über die letzten Minuten in Lacanau.