Fazit

Zweieinhalb Wochen haben wir in Chile verbracht und das Land von den verschiedensten Seiten kennengelernt: Die fantastische Bergwelt der Torres del Paine in Patagonien, die moderne Metropole Santiago, den Küstenort Valparaiso, die Steinskulpturen auf Rapa Nui und das Wüstendorf San Pedro de Atacama. Die Natur im Süden hat uns begeistert, aber auch physisch gefordert (die Knieschmerzen sind immer noch nicht weg), wir staunten über Hightec- und Kolonial-Architektur in Santiago, freuten uns, Chris wiederzusehen, waren entsetzt, als unserer Freundin Kendal in Valparaiso vor unseren Augen der Ruxsack geraubt wurde, waren faziniert von der bizarren «Mondlandschaft» und dem unvergleichlichen Sternenhimmel in San Pedro de Atacama und lernten die medizinische Austattung im Dorfkrankenhaus kennen. Ein letztes Entsetzen dann ganz zum Schluss, als Tinas Ruxsack auch noch geraubt wurde, der Dieb aber immerhin nicht erfolgreich war. Chile war und ist ausgesprochen facettenreich und sicher gibt es noch mehr zu entdecken. 

01. April 2019: San Pedro de Atacama: Verlängerung

Die Ruxsäcke sind gepackt. Morgen früh geht es in den Salar de Uyuni, glauben wir noch bis mindestens drei Uhr in der Nacht. Aber Klaus sträubt sich lauthals gegen die Abfahrt bis sieben Uhr morgens. So lange hält er alle Hostelbewohner mit lauten Brechorgien und Klogängen wach. Wir haben diesmal zur Freude aller Mitbewohner nur ein Gemeinschaftsbad und jeder, der es auch mal nutzen möchte, muss schnell sein, denn meist ist es unter Dauerbeschlag aus Deutschland.

Drei Tage und zwei Nächte hatten wir geplant durch die Salzwüste von und bis nach Uyuni zu reisen. Das können wir uns abschminken. Der Wagen Richtung Bolivien, der um sieben Uhr klingelt, fährt ohne uns los. Ich krame in meinem Apothekentäschchen und finde lauter hilfreiche Medikamente, aber Klaus’ Magen möchte die alle nicht bei sich behalten. Irgendwann gegen sieben ist der Ingenieur so alle, dass er dann doch mal einschläft, zwar mit Unterbrechungen, aber immerhin. 

Gegen neun kommt Daniela, die den Hausputz macht. Ich frage sie, ob wir noch eine weitere Nacht im Zimmer bleiben können, aber das ganze Hostel ist leider ausgebucht. Also müssen wir woanders hin. Der Brasilianer vom Frühstückstisch leiht mir sein Handy und ich buche eine neue Bleibe, denn der Hausrouter ist auch gerade krank. Daniela ruft gegen zehn ein Taxi, als Klaus wieder aufrecht stehen kann. Wir haben Glück und können sofort ins neue Zimmer. Klaus legt sich hin und ich gehe zum Reisebüro und versuche die Tour zu verschieben oder zumindest etwas Geld zurückzubekommen. Beides gelingt am Ende nicht, aber der nette Mensch vom Reisebüro empfiehlt uns doch einen Gang zum Arzt. 

Also gut, kann ja nicht schaden. Der Arzt ist in einer Art Krankenhaus, das sich Centro de Salud Familiar, also Familiengesundheitszentrum, nennt. Der Warteraum ist ein Flur und es ist ganz schön voll. In der Tür liegt ein Hund, der sich langweilt und sehen möchte, was da vor sich geht. Ist bestimmt auch ein Familienmitglied. Nach einer Stunde sind wir dran. Es war offenbar nicht, wie vermutet, die Pizza vom Vortag sondern ein Virus, der durchs Dorf zieht, weil fast alle anderen Patienten wegen des gleichen Schicksals hier sind. 

Ein Tropf mit Kochsalzlösung muss her und ein Rezept mit diversen Mittelchen, die wir aus der Apotheke holen. Klaus legt sich wieder ins Hostelzimmer und ich gehe erst mal in Richtung Friedhof. Den hatte Volker empfohlen, weil er so schön bunt ist. Irgendwie hatten wir verpasst vorher hinzugehen. Die Gräber sind zum Teil etwas abgerockt, aber viele sind tatsächlich schön bunt und die Lage unter den Bergen ist auch nicht schlecht. Als näxtes suche ich die französische Bäckerei, die Max empfohlen hatte und kaufe ein richtig frisches Baguette. Mehr gibt es heute Abend sowieso nicht. Mir ist auch schon der Hunger vergangen.

Wir verlängern das Hostel um eine weitere Nacht, damit sich Klaus erholen kann und ich plane eine Alternative, bei der wir ohne Übernachtung in der Salzwüste trotzdem noch etwas vom Salar de Uyuni sehen. Klaus geht es langsam etwas besser, er verschläft den Rest des Tages und ich buche alle Busse und Unterkünfte um. 

Am nächsten Tag verlassen wir das Hostel schon mitten in der Nacht, um den Bus nach Uyuni zu bekommen. Mit unseren Kopflampen finden wir den Weg durch die unbeleuchteten Gassen von San Pedro de Atacama. Wir treffen nur ein paar Partypeople, die jetzt aus den Kneipen kommen. Angekommen am Busterminal sind wir die ersten, das Tor ist noch zu. Auf dem Ticket steht eindeutig drauf, dass wir um 02:30 Uhr da sein sollen. Um 02:40 hält ein Polizeiwagen. Prima, den kann ich fragen, ob wir richtig sind. Sind wir. Der Polizist klopft an die Scheibe des Terminalbüros und weckt den eingeschlafenen Nachtwächter, der dann das Tor öffnet. Es trudeln noch ein paar Fahrgäste ein und der Bus startet pünktlich. 

Ein netter Mensch weist uns die Plätze zu und will unbedingt unsere Ruxsäcke auf die Ablage legen. Das will ich keinesfalls, ich habe ihn immer bei mir, auch im Flugzeug. Er lässt nicht locker und wir geben ihm die Ruxsäcke, die er ordentlich verstaut. Ich will warten bis er uns nicht mehr im Blick hat und dann meinen Ruxsack zu mir holen. Aber es kommt ganz anders. Über eine grauenvolle Piste geht es rumpel di pumpel über zwei Stunden zuerst bis nach Calama. Dort angekommen parkt der Bus rückwärts in einer dunklen Einfahrt. Weitere Fahrgäste steigen zu. 

Auf einmal steigt der hilfsbereite Mensch von vorhin aus. Klaus sieht, dass er sich mal eben meinen Ruxsack geschnappt hat und mit ihm losrennt. Aber er hat nicht mit Usain Brinkmann gerechnet, der hinter ihm hersprintet. Usain ruft noch laut „Ey“ und holt ihn ein. Dann lässt der schwarze Schnapper meinen Ruxsack tatsächlich fallen und Usain bringt ihn mir zurück. Ich sah schon meine beiden Kameras und mein Tablet samt Zubehör schwinden. Was für ein Glück im Unglück, ich bin heilfroh, alles wieder zu haben. Gut, dass ich meinen Pass, Kreditkarten und Geld immer in meiner Bauchtasche trage. Nun haben wir schon zweimal erlebt wie schnell es gehen kann und wieder werden wir noch vorsichtiger und misstrauischer.

Weitere neun Stunden heizen wir durch die Wüste. Die komplette Piste ist völlig unbefestigt. Es rüttelt und schüttelt die ganze Zeit. Mitten drin kommen die Grenzkontrollen: Ausreise aus Chile, Einreise nach Bolivien, die aber relativ zügig vonstatten gehen und uns zwei neue Stempel im Pass bescheren. Ab und zu gibt es tatsächlich Ansiedlungen in dieser Einöde. Der Bus hält ein paar mal an und es steigen Indigenas ein, die mit uns bis Uyuni fahren. Von den 10,5 Millionen Einwohnern Boliviens sind etwa 60% Indigenas, also Nachfahren der Urbevölkerung. Somit ist Bolivien das einzige Land in Südamerika, welches zum größeren Teil noch indigene Gruppen besitzt. Hinter uns nehmen zwei Frauen mit Kind Platz, die genauso aussehen, wie man sich Frauen in Bolivien vorstellt. Schöne bunte Kleidung in mehreren Lagen, Falten- oder Glockenröcke mit Strumpfhosen und Hüte. Eine der beiden hat genau den gleichen Hut wie ich. Perfekt gekleidet, würde ich sagen!


28.03.19 San Pedro de Atacama: In der einsamsten Landschaft der Erde

So einsam kommt uns dieser Fünftausenseelenort mitten in der Wüste allerdings nicht vor. Es gibt ungefähr sechzig Reisebüros, mindestens genauso viele Restaurants, Kneipen und Hostels und gefühlte dreihundert Straßenhunde. Jede Menge Touristen aus den verschiedensten Ländern kommen hierher, um die unvergleichliche Landschaft mit den schneebedeckten Andengipfeln zu sehen und verschiedene Touren wie eine Vulkanbesteigung, eine Stargazingtour, eine Wanderung durch die mondähnliche Wüstenlandschaft oder diverse andere Dinge zu unternehmen. 

Nach Tipps von Max und Volker starten wir zu einer Stargazingtour. Der Sternenhimmel ist hier besonders eindrucksvoll und wir sehen ihn nicht nur mit bloßem Auge, sondern auch durch das Teleskop einer Astronomin, phantastisch. Man zeigt uns das Kreuz des Südens und erklärt uns, wie man mit seiner Hilfe die Himmelsrichtungen bestimmt. Am Ende werden Erinnerungsfotos mit dem  Universum als Hintergrund gemacht, die wir in ein paar Tagen über eine Plattform im Internet abrufen können. Ja, es gibt hier tatsächlich ein schnelles und fast immer gut funktionierendes elektronisches Netzwerk zur Außenwelt. Damit haben wir nicht gerechnet. 

Die „Mondlandschaft“, die wir erkunden wollen, erreichen wir mit einem Tourbus, der uns zu verschiedenen Stellen im Valle de la Luna bringt. Die bizarren Krater und Felsen hier sind von weißen Salzablagerungen überzogen, die Ähnlichkeit zur Mondlandschaft haben, und es kommt uns tatsächlich ein bisschen so vor, als würden wir auf dem Mond spazieren gehen. Zum Schluss fährt uns der Bus noch zum Sonnenuntergang an eine höher gelegene Stelle mit toller Aussicht. Der Ort San Pedro de Atacama selbst liegt auf 2400 Meter über dem Meeresspiegel, aber die umgebenden Berge sind bis 5900 Meter hoch. 

Vermutlich nicht nur deswegen gibt es in den kleinen Läden überall Cocablätter, Cocatee und Cocabonbons zu kaufen. Sie sollen helfen, die Höhenkrankheit, die ab einer Höhe von 2500 Metern jeden mehr oder weniger stark erwischen kann, abzumildern. Ob das wirklich hilft, ist umstritten, aber konsumiert werden diese Köstlichkeiten reichlich.

25.03.19 Rapa Nui: Im Wunderland der Moai

Unser Flug zur Osterinsel, die von den Einheimischen Rapa Nui genannt wird, wird wegen eines Sturms um fünfeinhalb Stunden nach hinten verschoben. Rapa Nui wurde Ostersonntag 1722 entdeckt und liegt, 3500 Kilometer vom Festland Chile und mehr als 2000 Kilometer von der näxten bewohnten Insel entfernt, mitten im Pazifik.

Ich habe einen Fensterplatz in Reihe 41 gebucht. Mit Entsetzen stelle ich fest, dass der Fensterplatz in Reihe 41 gar kein Fenster hat. Ich kann also nur ein bisschen durch das Fenster in Reihe 40 sehen, und nur dann, wenn meine Vorderfrau die Lehne nicht zurückschiebt. Macht sie aber. Na gut, über dem  Pazifik ist nicht viel zu sehen und kurz vor der Landung muss sie den Sitz sowieso gerade aufrichten. Jetzt ist meine Chance gekommen. Ich kann ein paar Fotos von oben auf die Insel schießen und sehe sogar meinen ersten Moai am Hafen von Hanga Roa. Moais heißen die bis zu 10 Meter hohen merkwürdigen Steinfiguren wegen derer alle Leute hierher fliegen, und bis heute ist das Rätsel um sie noch nicht vollends gelöst. 

Hanga Roa ist der einzige Ort auf der Insel. Der Flughafen und sämtliche Unterkünfte, Läden, Restaurants, die Kirche, die Tankstelle und der Friedhof befinden sich hier. Die Uhren ticken nicht nur wegen der Zeitverschiebung etwas anders. Es gibt keine Hausnummern, nur Hausnamen, jeder kennt jeden, alles geht gemächlich vonstatten. An der Haustür unserer Unterkunft erwartet uns bereits der erste kleine Moai. Die Insel sieht wunderschön aus, wie eine hawaiianische Insel mit vielen Palmen, Hibiskusblüten und bunten Häusern. Wir laufen erst einmal ins Dorf und sehen uns einen großen Moai aus der Nähe an. Dann folgen weitere auf dem Weg zum Strand, und wir warten mit vielen anderen auf den Sonnenuntergang hinter dem Tahai, der direkt am Wasser mit Augen und roten Haaren auf die Insel blickt. Alle Moais sehen in Richtung Land. Man vermutet, dass sie so die Grabanlagen auf der Insel bewacht haben, da man unter einigen Moai Grabkammern gefunden hat.

Am näxten Tag wollen wir zwei Motorräder mieten und die kleine Insel erkunden. Da es aber gerade regnet, entscheiden wir uns spontan für ein Auto. Eine Autoversicherung gibt es für diese Insel nicht. Alle fahren unversichert durch die Gegend. Wird schon schief gehen! Der Regen hört unmittelbar nach der Abfahrt auf, jetzt kommt die Sonne raus und es wird richtig heiß. Da wir andauernd anhalten, um Fotos von Moais mit Haaren, ohne Haare, einzeln stehenden oder Gruppen sowie von gerade stehenden, umgestürzten oder noch vor der Fertigstellung liegenden zu schießen, sind wir froh, nicht ständig Helm auf-, Helm absetzen und Fotoapparat hin- und herräumen zu müssen.

Wir sind beeindruckt von den Steinmännchen wie jeder, den es auf diese Insel verschlägt. Am liebsten würde ich einige Moais mitnehmen und sie zu Hause im Garten aufstellen. Aber natürlich ist es verboten, sie anzufassen. Nur einer, der hilflos am Boden liegt, wird von mir gestreichelt. In einem ehemaligen Rapa Nui-Steinbruch Rano Raraku finde ich genau die Stelle, von der aus das Foto gemacht wurde, das Marion mir zuvor geschickt hatte. Ich stelle mich dazu und schicke es ihr später. Auf der Insel laufen wilde Pferde, wilde Kühe und wilde Hühner umher und obwohl es täglich neue Touristen hierhin zieht, ist es rund um die Moai nicht sonderlich voll. 

Für den südwestlichen Teil der Insel mieten wir zwei Mountainbikes. Hier befindet sich ein großer Vulkankrater, den ich schon aus dem Flugzeug heraus gesehen habe. Es geht fünf Kilometer stramm bergauf, dafür haben wir vom Kraterrand aus eine schöne Sicht in den Krater sowie auf die Insel. Abends geht es zum Sonnenuntergang wieder zu Tahai. Als Volker und Heidi vor 25 Jahren hier waren, hatten sie die Sonntagsmesse in der Kirche besucht. Da wir fast neben der Kirche wohnen und ich feststelle, dass morgen ja ausgerechnet Sonntag ist, sehe ich nach und finde an der Kirche tatsächlich einen Aushang mit der Uhrzeit für die Sonntagsmesse. Neun Uhr klingt machbar.

Was für eine gute Entscheidung, haben wir doch seit Jahren nicht mehr so eine schöne Sonntagsmesse besucht. Es wird rappelvoll. Alle ungefähr dreihundertundfünfzig Sitzplätze sind belegt und zusätzlich stehen noch weitere einhundertundfünfzig Besucher. In den vorderen Reihen sitzen acht bis zehn Frauen mit Kopfschmuck sowie zwei Gitarrenspieler. Die Frauen hören wir schon auf dem Weg zur Kirche laut singen. Während der gesamten Messe singen sie immer wieder laut ihre Lieder unter Begleitung der Gitarristen. Nicht schlecht. Der Pfarrer trägt eine rote Blumenkette, ein lilanes Gewand, traditionellen Kopfschmuck und sieht aus wie Häuptling Weiße Feder. Ich hätte nichts gegen ein Feuerwasser nach der Messe. 

Fotos darf man nicht machen. Das ist schade, aber logisch, denn unter den Kirchgängern befinden sich einige Touristen, die sonst nur noch mit ihren Handys und Fotoapparaten herumfuchteln würden. Nach der Messe gibt es zwar kein Feuerwasser aber ich bekomme draußen die Gelegenheit nach einem Foto zu fragen. Das bekomme ich und ich finde, dass das BVB-Trikot farblich sehr gut zum lilanen Gewand der Weißen Feder passt.

Auf dem Rückweg nach Santiago überfliegen wir wieder die Anden, ich sitze in Reihe 41…

21.03.19: Valparaiso: Kein Paradies auf Erden

Am Abend vor der Busfahrt nach Valparaiso bekomme ich eine Nachricht von Kendal aus der Patagoniengruppe. Sie ist mittlerweile auch in Santiago de Chile angekommen und bucht ein Ticket für denselben Bus, so dass wir zusammen nach Valparaiso fahren können. Wir treffen uns am Busbahnhof. Valparaiso liegt knapp zwei Busstunden von Santiago entfernt direkt an der Küste. Es klingt, als ob wir ins Paradies fahren und so viele Graffitis und bunt bemalte Häuser haben wir auch noch nie in einer Stadt gesehen. Allerdings ist uns heute leider die gute Laune trotz Sonnenschein ganz plötzlich abhanden gekommen. 

Wir wollten vor einem bunten Wandgemälde einen Dreierselfie schießen, um es der restlichen Patagoniengruppe zu senden, von denen niemand nach Santiago kommt. Wir stehen an einem Bordstein, ich krame meinen Selfiestick aus dem Ruxsack und Kendal stellt ihren Ruxsack für einen Moment neben mir ab. Plötzlich hält ein Fahrzeug hinter uns. Dann geht alles ganz schnell. Ein Mann greift plötzlich Kedals schwarzen Ruxsack, hastet zum Auto, das mittlerweile etwas vorausgefahren ist, Kendal rennt hinter dem Auto her und versucht ihren Ruxsack zu retten, aber sie hat keine Chance. Weg ist er, zusammen mit ihrer Fotokamera mit allen Fotos der letzten drei Monate ihrer Reise, ein bisschen Geld und dem Reisepass. So ein Mist! Wir sind alle drei völlig perplex. Es ging so schnell, dass auch niemand auf das Nummernschild gesehen hat.

Also zur näxten Polizeistation, um Anzeige zu erstatten. Da dort niemand Englisch spricht, hilft uns der Google-Übersetzer aus der Patsche und Kendal bekommt Papiere ausgehändigt, mit denen sie zur Botschaft gehen kann. Wir fahren mit dem Bus zurück nach Santiago und bringen sie in ihr Hotel. Hunger haben wir alle nicht mehr und auch keine Lust auf ein Feierabendbier. Der Schock sitzt tief in unseren Knochen, denn es hätte genauso gut mein Ruxsack sein können oder der schöne rosane von Klaus oder ein paar Sekunden später mein Handy samt Selfiestange. Man hat sich all die Tage so gut und sicher gefühlt, nun sind wir wieder mehr auf der Hut und achten darauf, dass wir unseren Kram IMMER eng am Körper tragen. 

Am näxten Tag verabschieden wir uns von Kendal, für die es in ein paar Tagen zurück nach Hause geht. Ich schenke ihr einen USB-Stick mit meinen Patagonienbildern, denn wir haben ja zum Teil sehr ähnliche geschossen und waren die ganze Zeit zusammen. Sie freut sich riesig, insbesondere über die Pinguinfotos.

18.03.19: Santiago de Chile: Wiedersehen mit Chris aus Hawaii

Der Flug von Buenos Aires nach Santiago de Chile beschert uns eine fantastische Aussicht auf die zum Teil schneebedeckten Anden. Unser Apartment liegt im 10. Stock im Ortsteil Providencia und wir haben einen kleinen Balkon mit Aussicht auf den Cerro San Christóbal, einem 880 Meter hohen Hügel. Als erstes fahren wir mit der Funicular, einer Standseilbahn, rauf auf den Hügel. Von da aus können wir über die ganze Stadt blicken, auch wenn das Häusermeer gerade etwas gelblich durch den Nebel schimmert. In der U-Bahn gibt es die ersten Panflötenhörproben. Das geht mir hier genauso auf den Geist wie zur Weihnachtszeit in der Fußgängerzone in Dortmund. Hoffentlich steigen sie aus, bevor ich eskaliere.

Drei Stationen weiter laufen wir durch das bunte Viertel Bellavista bis zum Plaza de Armas. Hier befindet sich die Metropolitano Kathedrale mit beeindruckendem Inneren. Das näxte Ziel ist das Hard Rock Café (mein 75.), in dem ich das chilenische Nationalgetränk, Pisco Sour, probiere. Es schmeckt und hilft bestimmt gegen meine leichte Erkältung. Auf dem Weg nach Hause laufen wir am gefühlt siebenunddreißigsten Fußballladen vorbei und fragen nach Hagis Scarfs. Da wir eher selten auf Leute treffen, die Englisch sprechen, krame ich wieder meine Spanischbrökchen hervor: „Qiero una Bufanda de Colo Colo y Universidad Catholica“. In diesem Laden finden wir aber nicht nur BVB-Trikots und -Kappen sondern auch einen Ladenbesitzer, der Frankfurtfan ist und gut Deutsch spricht. Er erklärt uns ausführlich, dass es in Chile keine Fußballschalkultur gibt und wir daher in keinem offiziellen Laden einen Schal finden werden. Nur an Spieltagen gibt es manchmal neben dem Stadion einen Stand, der auch Schals verkauft. Vielleicht haben uns die anderen Verkäufer das auch alles schon erzählt, wir haben es nur nicht verstanden. Wer weiß?

Aha. Jetzt wird es also schwierig bis unmöglich einen chilenischen Schal zu bekommen. Klaus schlussfolgert spontan, dass wir ja nun schon alle Länder mit wichtigen Fußballmannschaften besucht haben und sagt: „Wenn wir nun keinen Schal für Hagi mehr suchen müssen, dann macht die ganze Reise keinen Sinn mehr!“ Zum Glück bekommt die Reise wieder einen Sinn, denn ich kriege von Hagi noch ein paar Namen von Mannschaften in anderen Ländern mitgeteilt. :))

Am näxten Tag gehen wir zum Plaza Los Dominicos. Da gibt es einen schönen Kunsthandwerksmarkt mit vielen kleinen Läden, in dem die Handwerker und Künstler werkeln. Mal wieder besteht für mich striktes Kaufverbot. Das schaffe ich, bis ich plötzlich an einer Reihe Maputschas lande. Ich mache erst mal ein Foto und sehe mir die schönen handgefertigten Holzfiguren dann genauer an. Soll ich mich für eine Mapuche-Frau oder einen Mapuche-Mann entscheiden? Klaus ist ganz still geworden und hofft so, meinen Kaufwunsch im Zaum zu halten. Meine Frage, ob eine Frau oder ein Mann schöner ist, wird nicht beantwortet. Mmh, eigentlich sieht ein Paar am besten aus. Ich entscheide mich für die beiden mit den orangenen Ponchos und freue mich! Klaus ist innerlich entsetzt, aber er trägt die beiden Mapuche nicht nur mit Fassung sondern auch noch in seinem rosa Ruxsack. :))

Für den näxten Tag haben wir uns mit Chris verabredet. Mit Chris haben wir im November in seinem Haus in Haleiwa auf Hawaii zusammengewohnt. Er ist aber Chilene und ist im Haus seiner Eltern in Santiago de Chile aufgewachsen. Über den Blog hat er unsere Reise verfolgt und als wir Chile näher kamen, hat er uns kontaktiert, weil er selbst gerade in seiner Heimatstadt weilt. Wir freuen uns sehr auf ein Wiedersehen und besuchen ihn und seine Schwester im Haus seiner Eltern. Nach einem Pisco Sour fährt er mit uns durch die Gegend, wir besuchen zusammen einen Tempel der Bahá’í und gehen zusammen essen. Das Beste am Reisen ist, wenn man coole Leute irgendwo trifft und sie anschließend woanders wiedersieht. 

Zum Abschluss des Tages dürfen wir noch Paul McCartneys Bassklängen lauschen, da er fünf Kilometer von unserem Balkon entfernt ein Konzert in der Stadt gibt.