Fazit

Wir möchten viel mehr von Japan sehen! Tokyo und die Japaner haben uns schwer beeindruckt. Einerseits schaffen sie es, eine herausragende Infrastruktur mit einem wahrscheinlich weltweit einzigartigen Verkehrssystem zu betreiben, andererseits macht die Mentalität der gegenseitigen Rücksichtnahme das Miteinander auch auf engstem Raum sehr angenehm.

29.12.18: Familientreffen in Tokyo

Wir fahren zum Flughafen in Narita, um Rixa und Elisabeth (meine Mutter) abzuholen, die sich über die Weihnachtstage zu uns gesellen. Das haben wir vor einem knappen Jahr beschlossen und alle freuen sich schon auf die gemeinsamen Tage. Elisabeth ist mit ihren dreiundachtzig Jahren nicht mehr ganz so schnell unterwegs, aber die dreizehn Flugstunden machen ihr nichts aus und sie läuft tapfer mit uns mit. Den Blog verfolgt sie vom ersten Tag an regelmäßig und ist so ein kleines bisschen mit auf unserer Reise dabei.

Max kommt einen Tag später direkt von seinem Job aus China dazu und dann sehen wir uns Tokyo zu fünft an. Zuerst checken wir in einem Hotel mit Blick auf den Skytree, dem dritthöchsten Bauwerk der Welt, ein. Beim Öffnen der Gardinen zeigt sich der beeindruckende Turm zum Anfassen nah. Abends wird er beleuchtet und das Lichtermeer, in dem er steht, bringt uns zum Staunen. 

Auch wenn die Japaner eigentlich nicht Weihnachten feiern, dekorieren sie die Stadt an vielen Stellen mit Weihnachtsschmuck und verkaufen lauter Weihnachtsartikel, sogar einen kleinen Weihnachtsmarkt haben wir gefunden, und erstaunlicherweise laufen überall die bekannten Weihnachtslieder, „Last Christmas“ verfolgt einen auch hier. Ein Must See in Tokyo ist natürlich der große Tsukiji-Fischmarkt. Leider ist er vor zwei Monaten umgezogen, so dass es diesen traditionellen und weltberühmten Fischmarkt in seiner ursprünglichen Form nicht mehr gibt. Da kommen wir etwas zu spät. Die große Tunfischauktion morgens um vier Uhr dreißig wird erst 2019 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Zusammen mit den Händlern durch die engen Fischreihen spazieren darf man aber auch dann nicht mehr. Wie schade! 

Ich sehe mir die neue Fischmarkthalle trotzdem an und kann ein paar Blicke in die Halle werfen. Drumherum gibt es neue Restaurants, in denen Fischgerichte, hauptsächlich Sushi, angeboten werden. An der ehemaligen Halle gibt es weiterhin die Marktstände mit Fisch, Gemüse, Fleisch, Gewürzen, Kuchen und vielen kleinen, charmanten Restaurants drumherum. Meine Mutter und ich stöbern durchs Marktgewusel und entdecken immer wieder neue Stände mit mehr oder weniger merkwürdigen Waren. 

Dann geht es bei feinstem Sonnenschein auf den Skytree. Wir können richtig weit über das Häusermeer sehen, allerdings versteckt sich der Mount Fuji, der höchste Berg in Japan, hinter einem Wolkenvorhang. Das ist wohl häufig der Fall, dafür sehen wir ihn später vom Fuji-TV-Gebäude beim Sonnenuntergang. Das futuristische Fuji-TV-Gebäude steht auf einer aufgeschütteten Insel, zu der man mit einer ebenso futuristischen Bahn durch die Häuserschluchten Tokyos heizt. Da drüben steht auch eine kleine Freiheitsstatue, wozu auch immer.

Wir unternehmen einen Tagesausflug zum Mount Fuji und hoffen, dass wir ihn auch tatsächlich sehen. Schon von weitem können wir die schneebedeckte Spitze dieses Vulkanbergs sehen. Nur der allerletzte Zipfel wird durch ein paar Wolken verdeckt, aber das macht nichts. Wir fahren den Fuji bis auf die vierte Ebene hoch und können weit ins Tal sehen. Für einen noch besseren Blick fahren wir zum Ashi-See und dann mit der Seilbahn den Hakone hoch. Wir haben Glück, der Fuji ist fast ganz und sehr klar sichtbar.

Für den Rückweg nehmen wir den Shinkansen. Der ist sauschnell und bringt uns in knapp 30 Minuten in die 120 km entfernte Stadt zurück, pünktlich auf die Sekunde, japanische Präzision. Die Triebköpfe sehen aus, als wären sie für einen Sciencefiction-Film entworfen worden. An der Endstation steht schon ein Einsatzkommando bereit, um den Zug für die nächste Fahrt in Windeseile zu reinigen. Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus, die Technik, die Akribie, der Dienst am Fahrgast, so etwas haben wir noch nicht erlebt. 

Aber nicht nur der berühmte Hochgeschwindigkeitszug fasziniert. Auch die U-Bahnen, immer tip top sauber, leise, mit intelligenten Informations-Displays, die einem schon in der Bahn den Weg zu den verschiedenen Ausgängen anzeigen, begeistern. Es gibt Schirmständer mit Zahlenschlössern, jede Menge Hinweistafeln, die den Weg weisen, fast an jeder Ecke Getränkeautomaten und die Menschen sind sehr leise unterwegs. Kein Auto hupt und obwohl es fast keine Mülleimer gibt, liegt nirgendwo Müll herum. Jeder hält sich an die Regeln und wir treffen auf zufriedene, überaus freundliche, hilfsbereite und angenehm ruhige Menschen. 

Am Asakusa-Schrein sehen wir viele traditionell gekleidete Japaner und Japanerinnen. Rixa wird sogar von einem Fernsehteam um ein Interview gebeten. Geduldig beantwortet sie einige Fragen zu Japan und Tokyo. 

Nach einer gemeinsamen Woche in Tokyo, die wie im Flug vergeht, machen wir uns auf zum Airport Narita und fliegen in drei verschiedene Richtungen. Rixa und Elisabeth zurück nach Frankfurt, Max für ein paar Tage nach Israel und wir über Silvester nach Shanghai. Verrückt! Wir haben uns sehr über den Besuch gefreut und falls noch jemand auf die Idee kommt für ein paar Tage zu uns zu stoßen: Nur zu! 🙂

23.12.18: Lost in Translation?

Meine erste spannende Begegnung in Japan habe ich direkt nach der Ankunft auf dem Flughafenklo. In der Kabine ist es dunkel, nach dem Eintreten wird es sofort hell. Na gut, einen Bewegungssensor kennt man in Deutschland auch. Dann öffnet sich der Klodeckel von ganz alleine und blaues Licht strömt aus dem WC. Wie schön! Dann geht es weiter: Beim Pinkeln hört man plötzlich Wassergeräusche wie von einem Bach im Wald, dazu im Hintergrund leises Vogelgezwitscher. An der Wand befinden sich mehrere Knöpfe, da kann ich auch die Geräusche ausschalten oder zwischen verschiedenen Pospülprogrammen mit mehr oder weniger Wasserdruck wählen. Die Klobrille ist schön warm und die Beschriftung der Knöpfe ist in Japanisch, Englisch, mit verständlichen Symbolen und in Brailleschrift. Jetzt nur noch schnell abziehen, dann geht‘s zum Kofferband. Wo ist der Knopf zum Abziehen bloß? Ach so, das ist ein mechanischer Hebel, so wie bei uns. Da muss man erst mal drauf kommen. 🙂 

Diese Hightech-WCs gibt es nicht nur am Flughafen sondern in jeder U-Bahn-Station, in Restaurants und Hotels und sogar in unserem Kapselhostel, in dem wir die ersten drei Nächte verbringen. Alle Toilettenanlagen sind absolut sauber, es liegt kein Papier auf dem Boden, man sieht selten Reinigungskräfte und es ist immer kostenlos.

Da unsere Japanischkenntnisse gegen null gehen, müssen wir uns mit Englisch und manchmal mit schauspielerischem Talent durchschlagen. Es sprechen aber so viele Leute Englisch, dass es leicht ist etwas zu erfahren. In der U-Bahn auf dem Weg in die Stadt lernen wir dann die enorme Hilfsbereitschaft der Japaner kennen. Dabei sind sie völlig unaufdringlich, leise und gut gelaunt. Um sicher zu gehen, dass wir richtig umsteigen, frage ich meine Sitznachbarin. Sie spricht kein Englisch, versteht mich aber. Und dann achtet sie zusammen mit drei weiteren Frauen aus der Bahn darauf, dass wir an der richtigen Stelle aussteigen. Ein Mann erklärt uns währenddessen das System mit den Bahnen, die nicht an allen Stationen halten. 

Auf dem Weg zum Fußballschalladen muss ich nach dem Weg fragen. Im 7/11-Shop spreche ich einen Mann an. Der lässt sofort alles stehen und liegen, ruft den Weg mit seinem Navi auf und bringt mich dann ca. 400 Meter bis vor die Tür des Ladens. Meine Versuche alleine weiterzugehen, akzeptiert er nicht, aber er ist die ganze Zeit gut drauf. Viel erzählen können wir uns nicht, aber er weiß jetzt, dass ich in Dortmund wohne, so wie Kagawa Shinji. 🙂

In Shibuya gibt es eine sehr berühmte Kreuzung, an der es vier Zebrastreifen, so wie bei uns auch, gibt. Zusätzlich verläuft ein Zebrastreifen diagonal über die Kreuzung. Bei Grün strömen Massen von Fußgängern kreuz und quer über diese Kreuzung und man kann sich nicht vorstellen, dass jemals wieder Autos die Chance bekommen weiterzufahren. Dann springt die Fußgängerampel auf Rot. Und zack bleiben die Fußgänger stehen und die Autos können fahren. Kein Polizist in der Nähe, der den Verkehr regelt. Wir stehen hinter einer Glasscheibe im zweiten Stock eines Kaufhauses und sehen uns das Schauspiel immer wieder an. 

Jetzt müssen wir aber erst mal eine Pause in einem der vielen kleinen Restaurants einlegen. Manche haben nur fünf Plätze und viele haben hohe Tische mit Barhockern, so dass man dem Koch direkt auf die Töpfe und Platten sehen kann. Die Speisekarten zeigen Bilder von den Gerichten oder viel besser: Draußen vor der Tür sind alle Gerichte in einer Vitrine als Kunststoffattrappen ausgestellt. Diese sind ordentlich nummeriert und man muss drinnen nur noch die Nummer sagen.

Fünfzehn Jahre nach „Lost in Translation“ kommt man fast immer auch ohne Japanischkenntnisse bestens zurecht.