27.01.24: Reise ins Land der aufgehenden Sonne

Um 03:15 klingelt mein Wecker. Wenn alles gut läuft, dann bin ich ich 24 Stunden schon in Japan. Nach einem Zwischenstopp in Amsterdam mit 4 Stunden Aufenthalt, steige ich in das Flugzeug nach Tokyo. Vor mir liegt ein dreizehneinhalb Stunden-Flug. Zum Glück habe ich einen Fensterplatz, so dass ich mich zumindest anlehnen kann. Mein Nachbar auf dem Mittelsitz tut mir ein bisschen leid. 

Um 09:15 lande ich mit einem plattgesessenen Hintern glücklich in Tokyo. Wie erwartet ist in Japan alles topp organisiert. Auf dem Weg zum Immigrationschalter stehen immer wieder freundliche Wegweiser, die mit beiden Händen die ankommenden Fluggäste auf die richtige Richtung hinweisen. Dass es sowieso nur eine Richtung gibt, ist dabei unerheblich. Schließlich gibt es Kurven und es wäre nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn jemand die Kurve nicht mehr kriegt.

Die Einreiseprozedur dauert nicht allzu lange und um 10:00 Uhr bin ich schon eingereist. Nun noch schnell den Koffer vom Band holen und dann empfängt mich mein Reiseleiter Yannic. Auf der Zugfahrt ins Stadtzentrum klären wir schon mal die Planung für die näxten Tage. Ich habe mich nämlich einer Gruppe angeschlossen, weil ich nicht alleine umherreisen möchte und nun bin ich gespannt auf meine Mitreisenden.

Die werde ich allerdings erst morgen früh treffen, denn für heute habe ich ein Ticket für den Skytree gebucht. Das ist mit 634 Metern der höchste TV-Turm und das dritthöchste Bauwerk der Welt. Er ist in der Gruppentour nicht enthalten, aber ich möchte unbedingt noch einmal rauf. Als ich vor 5 Jahren schon einmal oben war, war das eins der Highlights des Tokyobesuches. 

Bei der Gelegenheit kann ich auch noch einmal über den wunderbaren Markt in Asakusa schlendern, der sich in der Nähe befindet. Dort finde ich eine schöne Kappe, die ich nun auf der Tour tragen kann.

Der dem Markt angrenzende Asakusa-Schrein ist ein Shintō-Schrein (Shintō ist eine Glaubensrichtung) neben dem buddhistischen Tempel Sensō-ji. Im Tempel bekomme ich meine ersten Goshuin, das sind rote Stempel, die von Kalligraphie-Mönchen kunstvoll beschriftet werden. Für 500 Yen, das sind knapp 3 Euro, geht mein Sammelbuch in die Mönchswerkstatt und heraus kommt ein sehr schönes Kunstwerk.

Rund um den Asakusa-Schrein tummeln sich viele Japaner in traditioneller Kimonokleidung. Man kann diese schönen Gewänder aber auch für einige Stunden ausleihen und selbst damit durch die Gegend laufen. Daher findet man die Kimonos auch an vielen Touristen. Wer‘s mag…

Dann gehe ich weiter zum Turm, vorbei an der berühmten Asahi-Brauerei, dessen Gebäude wie ein Bierglas aussieht. Ich unterdrücke meinen Durst und gehe weiter. Leider ist es heute ziemlich nebelig und ich kann den Turm von unten kaum erkennen. Aber wer weiß, vielleicht verzieht sich der Nebel ja bis ich oben bin. 

Der Zugang zum Turm befindet sich neben einer Shoppingmall. Hier werde selbst ich regelrecht erschlagen vom Überangebot an Waren aller Art und jeden Preisniveaus. Hier muss ich schnell weg. Mit einigen Alltagshelfern, die mir den Weg weisen, finde ich den Fahrstuhl zum Turmaufstieg. Die Nebelschwaden sind noch da, aber es gibt es immer mal wieder relativ klare Momente und dann habe ich eine weite Sicht und kann tatsächlich ein paar Fotos machen. Ich warte bis es dunkel ist und dann klart es tatsächlich fast vollständig auf. Der Fuji, den man von hier oben eigentlich, bei klarer Sicht, erkennen kann, bleibt allerdings im Nebel verborgen.

Auf dem Weg nach unten begegne ich wieder vielen Alltagshelfern. Einer steht weit vorm Aufzug und weist den Weg zum Ausgang. Kurz vorm Fahrstuhl steht der nächste. Mit zwei Händen fuchtelt er unentwegt umher und weist die Leute vor die Fahrstuhltür. Zusätzlich erzählt er auf Japanisch und Englisch, dass der Fahrstuhl gleich kommt und wir dann alle einsteigen dürfen. Damit niemandem diese Durchsage entgeht, trägt er ein Headset und übertönt die Geräusche aller Anwesenden.

Als der Fahrstuhl dann eintrifft, weist er uns darauf hin, dass sich die Tür gleich öffnen wird. Tatsächlich öffnet sich die Tür und wir dürfen einsteigen. Vor der Abfahrt bekommen wir noch eine „großartige Fahrt“ und einen „sehr schönen Abend“ gewünscht. Im Fahrstuhl ertönt dann angenehme Musik auf dem Weg nach unten. Gleich haben wir es ja geschafft und den Ausgang endlich erreicht. 

Die Fahrstuhltür öffnet sich und plötzlich stehen ungefähr 10 Alltagshelfer vor uns und wir kommen kaum aus der Tür heraus.  Sie halten große Schilder in die Höhe, die sie als Einkaufshilfen kennzeichnen, denn der Skytreeshop befindet sich gleich an der Fahrstuhltür. Ich schleiche mich schnell an den Shoppingqueens vorbei und gehe ganz alleine zum Ausgang des Gebäudes. Wie habe ich das bloß geschafft?

Zurück im Hotel schreibe ich nur noch diese Zeilen beim Abendessen aus dem Seven/Eleven und falle dann hundemüde ins Bett.

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28.05.24: Bootsfahrt auf dem Sumito und ein Wiedersehen mit Yoyo

Heute morgen erwartet mich das Frühstück auf der 14. Etage des Hotels. Von hier oben habe ich einen grandiosen Blick auf den Skytree, auch wenn sich das Wetter gerade nicht von seiner besten Seite zeigt. Aber irgendwann muss die rote Regenjacke ja auch mal ihren Dienst antreten. 

Ich trage mein BVB-Trikot und werde schon von zwei Mitgliedern meiner Gruppe erkannt, die ebenfalls aus Dortmund kommen. Aber das erzählen sie mir erst als wir uns mit der Gruppe abmarschbereit in der Lobby versammeln. Ich treffe auf Stefan und Erika aus Dortmund, Norbert und Rita aus Wiesbaden, Marlene und Holly aus der Pfalz, Detlef und Cordula mit Ariane und Maria aus Leipzig, Claudia aus Regensburg und Steffi aus der Nähe von Münster. Dann ist da noch Cynthia aus Madagaskar, die schon viele Jahre in Deutschland wohnt und demnäxt selbst solche Touren leiten möchte. Sie begleitet daher unseren Guide Yannic und uns.

Wir machen uns auf den Weg zum Asakusa-Schrein und dem Markt, auf dem ich gestern schon war. Ich liebe diesen Ort, daher gehe ich gerne noch einmal dahin. Yannic versorgt uns mit vielen Informationen und da er japanisch spricht, übersetzt er auch vieles, was uns unterwegs begegnet. Das gefällt mir. Angekommen in Asakusa gehen wir zuerst auf ein Hochhausdach, von dem aus wir einen guten Blick auf den Markt mit seinen langen Gängen hat. Anschließend geht es zum Schrein und dann bekommen wir „Freizeit“, um uns umzusehen. Ich finde es etwas seltsam nun zusammen mit den anderen hinter Yannic herzulaufen, bin ich doch sonst mit meinen Schülern immer selbst der Guide. Aber dafür muss ich nichts organisieren und das hat natürlich viele Vorteile. Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht zu schnell laufe, aber Yannic bremst mich dann schon, denn nur er weiß immer wo es lang geht.

Da ich mich gestern schon auf dem Markt umgesehen habe, gehe ich heute zu einer der Dosen am Tempel, aus der ich ein Glücksstäbchen schüttele. Auf dem Holzstäbchen ist eine Zahl aufgedruckt, damit ich weiß, welche der Schubladen ich nun öffnen muss, um zu meinem Omikuji, also meiner Botschaft über Glück oder Pech, zu gelangen. Da ich nichts von Wahrsagerei halte, finde ich es einfach nur witzig mal ein solches Blatt mitzunehmen, auf dem der Text in Japanisch und Englisch steht. Ich habe Glück steht da geschrieben. Das eignet sich gut, um es in mein Sammelbuch zu kleben. Wem kein Glück attestiert wird, der nimmt seine Botschaft nicht mit nach Hause, sondern bindet sie einfach an eine Stange oder einen Baum und lässt das Pech da.

Danach gehe ich in einen Matcha-Laden. Hier gibt es alles aus und mit der Pflanze, aus der grüner Tee hergestellt wird. Es gibt Gebäck und Eis und sogar Bier. Alles sieht giftig grün aus. Ich probiere ein Bier und zu meiner Überraschung schmeckt es gar nicht so schlecht, wenn man nicht dran riecht. Der Geruch ist muffig und einfach nicht gut. Also: Nase zu beim Trinken. Dann treffen wir uns wieder mit der Gruppe und fahren zusammen auf dem Sumito-Fluss bis zum idyllischen Hamarikyu-Garten, einer grünen Oase mitten im Großstadtdschungel. Wir schlendern durch den Park und ich unterhalte mich mit Stefan und Erika, die auch schon in Ushuaia waren und von dort eine Expedition in die Antarktis gemacht haben. Das klingt sehr spannend und sie zeigen mir auch ein paar Fotos. Grandios!

Wir fahren dann mit der U-Bahn nach Ginza zur exklusivsten Einkaufsmeile ganz Japans. Hier findet man Läden nahezu aller Designermarken der Welt. Das interessiert mich nicht so brennend, aber der Besuch der Foodabteilung eines Kaufhauses ist beeindruckend. So ähnlich wie im KaDeWe in Berlin oder im Harrods in London findet man hier diverse Spezialitäten, die man kaufen oder vor Ort verzehren kann. Allerdings habe ich so schönes Obst noch nirgendwo gesehen. Die Melonen und Weintrauben oder auch die Kirschen sehen aus wie künstlich hergestellt. Eine Frucht gleicht der anderen ganz exakt. Dafür kostet eine Rispe Weintrauben aber auch gerne mal 200 Euro. Gut, dass ich gerade keinen Hunger habe.

Der näxte Programmpunkt ist Freizeit. Ich verlasse Ginza und fahre lieber mit der fahrerlosen Yurikamome-Bahn zum futuristischen Gebäude des Fuji-TV-Senders auf der Insel Odaiba. Die Bahn fährt rasendschnell um die Hochhäuser herum und überquert über die Rainbowbridge die Bucht von Tokyo. Das ist ein echtes Erlebnis. Vom Fujigebäude aus hat man einen schönen Blick auf die Skyline von Tokyo und sogar auf den Fuji, wenn das Wetter stimmt. Heute regnet es aber und der Fuji lässt sich wieder mal nicht blicken.

Ich fahre zurück zum Hotel, denn für heute Abend ist ein gemeinsames Essen mit der Gruppe geplant. Leider hat das Restaurant bei unserem Eintreffen dann trotz Reservierung doch keinen Platz für 15 Personen, so dass wir das gemeinsame Essen vertagen. Das finde ich gar nicht schlimm, denn ich habe mich heute noch mit Yoyo verabredet, den ich im August auf dem Jakobsweg kennengelernt habe. Er wohnt in Tokyo und sogar in der Nähe des Hotels.

Wir treffen uns im Hard Rock Café. Ich bin zuerst da und warte an der Bar.  Dann kommt Yoyo und wir fallen uns in die Arme und freuen uns über das Wiedersehen! Das hätten wir im August auch nicht gedacht, dass wir uns schon so bald un Tokyo treffen. Mit Yoyo bin ich auf dem Camino lange Strecken zusammen gelaufen und wir hatten immer was zu erzählen. Nun ist es genauso als wären wir gestern noch zusammen gewandert. Da ich noch nichts gegessen habe, schlägt Yoyo vor zu seinem Burgerrestaurant zu fahren, in dem er neben seinem Studium arbeitet.

Gute Idee, wir machen uns auf zum Wagyu-Burger. Der wird aus Fleisch vom japanischen Wagyu-Rind hergestellt und soll besonders gut sein. Yoyos Kollegen warten schon auf uns. Der Burger ist wirklich richtig lecker und Yoyo und seine Kollegen freuen sich, dass es mir schmeckt. Wir machen noch ein paar Fotos und wechseln dann die Location, denn gegenüber ist eine kleine Craftbierbrauerei. Dort bleiben wir den Rest des Abends bis Yoyo mich zurück zum Hotel begleitet. Auf dem Weg gehen wir in einen der vielen Eine-Million-Dinge-die-Niemand-benötigt-Läden und Yoyo schenkt mir ein Tuch mit Kirschblüten und Sushiradiergummies. Dann müssen wir uns schon wieder verabschieden. Ich hoffe, dass wir uns eines Tages wiedersehen. Vielleicht in Dortmund, das wäre schön!

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29.05.24: Ein Besuch bei Hachikō und ein Treffen mit Chikako

Heute fahren wir zur sogenannten „Alle-Gehen-Kreuzung“ oder auch Shibuya Scramble Square. Die berühmte Kreuzung in Shibuya hat fünf Zebrastreifen, auf denen sich alle zwei Minuten bis zu 2500 Personen auf die andere Straßenseite begeben. Auch diagonal führt ein Zebrastreifen ans gegenüberliegende Eck. Es ist sehr wuselig, aber sobald die Fußgängerampel auf Rot springt, stoppen die Fußgänger und machen die Straße wieder frei. Dann rollt der Verkehr bis zur näxten Grünphase und das Spiel beginnt von vorne.

Bevor wir die Kreuzung queren, fahren wir auf das Dach des Shibuya Sky und halten die Luft an. Atemberaubende Blicke in alle Richtungen bei feinster Sonne gefallen uns. Yannic gibt uns eine Stunde Zeit und wir dürfen das Dach ausgiebig erkunden, herumlaufen und staunen. Ein hohes Googlegebäude, auf das man spucken könnte, ist zu sehen und ein Schulsportplatz, der sich direkt über einer Schnellstraße befindet. Weiter entfernt liegt das Nationalstadion und der Yoyogi-Park, hinter dem eine Skyline Tokyos zu erkennen ist. Wir spazieren sogar auf dem Hubschrauberlandeplatz des Shibuya Sky umher.

Dann es wieder nach unten und wir besuchen Hachikō. Das ist die Statue eines treuen Hundes, der sein Herrchen jeden Tag nach der Arbeit am Bahnhof Shibuya abholte, auch noch als dieser bereits tot war. Neun Jahre lang kam Hachikō jeden Tag zur Bahnstation bis er selbst starb. Diese Geschichte ist sogar 2009 verfilmt worden und der Westausgang des Shibuya-Bahnhofs heißt bis heute Hachiko-guchi. Wir gehen an Hachikō vorbei über die Kreuzung Scramble Square und durch Shibuya hindurch. Shibuya ist DAS Ausgehviertel am Abend mit schrillen Klamottenläden, Klubs, Kinos, Bars, einem Anime-Center usw.. Laute Musik aus den Läden dröhnt uns jetzt schon in den Ohren.

Wir laufen weiter zum Yoyogi-Park, der riesig ist und in dem wir zum Mittagessen leckere frittierte Gemüsescheiben bekommen.  Danach gehen wir weiter zum Meiji-Schrein. Das ist ein schintoistischer Schrein, der Kaiser Meiji und seiner Frau Shomen gewidmet ist und ein wichtiges kulturelles und religiöses Symbol Japans ist. Hier bekomme ich einen neuen Stempel und einen Goshuin für mein Sammelbuch.

Leider hat der Meiji-Schrein keine roten Torii, die ich so schön finde. Aber es gibt ja noch den Hie-Schrein. Nachdem Yannic das Tagesprogramm für beendet erklärt, mache ich mich auf zum Hie-Schrein. Stefan und Erika begleiten mich. Der Hie-Schrein ist für seine Affenstatuen und die schönen leuchtenden Inari-Tore bekannt. Schon am Eingang sehen wir eine Affenstatue und viele rote Flaggen, die noch vom letzten Matsuri, dem Schreinfest, stammen. Ich gehe mit Erika und Stefan zu den Torii. Die sehen wirklich beeindruckend aus und wir freuen uns darüber, hierher gefahren zu sein.

Drei U-Bahn-Stationen weiter befindet sich der Aoyama-Friedhof, den wir uns jetzt ansehen. Er liegt direkt neben einem Sportplatz mitten in einem Wohngebiet und kein Zaun schließt ihn ein. Die Grabsteine sind mit japanischen Schriftzeichen verziert und es gibt viele längliche Holztafeln, die den buddhistischen Namen des Verstorbenen, den dieser nach seinem Tod erhalten hat, zeigen. Von Zeit zu Zeit werden Gedenkgottestdienste abgehalten und dann jedes Mal eine neue Holztafel aufgestellt.

Wir fahren zurück zum Hotel und ich mache mich danach auf zu meiner Verabredung für den Abend. Ich treffe mich zum Essen mit Chikako. Sie ist eine langjährige Freundin von Petra, mit der ich neulich in London war. Die beiden haben sich in Berlin während eines Austauschprogramms mit Deutschen und Japanern getroffen. Seit dem besuchen sie sich von Zeit zu Zeit in Tokyo oder Fröndenberg.

Petra hatte in London die Idee, dass ich mich doch mal mit Chikako treffen könnte, wenn ich in Tokyo bin. Die Idee hat mir spontan gefallen und Chikako hatte auch Lust dazu. Und nun verbringen wir einen schönen Abend zusammen und ich bin erstaunt, wie gut Chikako Deutsch spricht. Mein Mitbringsel ist vielleicht etwas ungewöhnlich, aber Rübenkraut mag Chikako sehr gerne und in Japan kann man es nicht kaufen. 🙂

Wir stellen fest, dass Petra schon sehr lange nicht mehr in Tokyo war und bald mal wieder kommen sollte. Ein neuer Reisepass ist ja schon vorhanden und der Yenkurs steht gerade besonders günstig…

Dann verabschiede mich von Chikako. Es war ein toller Abend, ich habe mich sehr gefreut sie kennengelernt zu haben und ich hoffe, dass ich sie bald wiedersehe.

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30.05.24: Warten auf den Fujisan

Heute morgen werden unsere großen Koffer bereits nach Kyoto transportiert, obwohl wir noch eine Nacht in Tokyo schlafen. Das liegt daran, dass wir morgen mit einem Zug nach Kyoto reisen und in diesen Zug können wir keine großen Koffer mitnehmen. Ich muss also etwas Wechselwäsche im Hotel lassen, denn das restliche Gepäck sehe ich erst morgen wieder.

Nach der Kofferabgabe geht es mit der U-Bahn zum Bahnhof und dann steigen wir in einen Schinkansen ein. Es gibt feste Sitzplätze und ich habe leider einen Mittelplatz erwischt. In meiner Reihe sitzt noch Rita am Gang. Ich setze mich einfach mal ans Fenster und warte ob und ggf. wer da so kommt. Dann kommt der Passagier zum Fensterplatz hereinspazierst. Ich frage ihn, ob ich am Fenster sitzen bleiben kann. Er hat nichts dagegen und dann kommen wir ins Gespräch. 

Wir unterhalten uns auf der ganzen Fahrt und so geht die halbe Stunde schnell vorüber. Natürlich kennt er Shinji Kagawa und den BVB und ist erstaunt, dass ich aus Dortmund komme. Er ist U-Bahn-Fahrer auf der Namboku-Linie und heißt Kenta. Zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokyo mussten alle U-Bahn-Fahrer Englisch lernen und nun freut er sich darüber, es mal wieder üben zu können. Zum Schluss gibt er mir noch eine seiner Visitenkarten und bedankt sich bei mir für das nette Gespräch. Irgendwie bin ich kaum dazu gekommen aus dem Fenster zu sehen.

Angekommen in Odawara steigen wir um in einen Bus nach Owakudani, einem Vulkantal mit aktiven Schwefelschloten und heißen Quellen, das durch einen Vulkanausbruch vor über 3000 Jahren entstanden ist. Es riecht überall nach Schwefel und wir können den Schwefelqualm aus dem Berg aufsteigen sehen. Einen Blick von hier auf den Fujisan , wie der Berg Fuji hier genannt wird, können wir leider nicht erhaschen, weil er im dichten Nebel liegt. Yannic bringt uns ein Geschenk aus dem Laden mit. Wir bekommen alle ein Kuro-Tamago, ein in Schwefelwasser gekochtes Ei. Es schmeckt nicht viel anders als gewöhnliche Eier, aber es riecht nicht so gut. 

Dann machen wir eine Schiffsfahrt mit einem Piratenschiff über den nahegelegenen Ashi-See und warten darauf, dass sich der Fujisan blicken lässt, aber er bleibt in den Wolken versteckt. Kurz vor Ende der Fahrt klart der Himmel dann plötzlich auf und der Fujisan wird von den Wolken freigegeben. Endlich! Das sieht gigantisch aus, denn der höchste Berg Japans überragt mit seinen 3776 Metern alle anderen Berge. Wir gehen schnell zum Heck, um von da Fotos zu schießen. Wer weiß, ob er noch lange zu sehen ist oder ob sich wieder eine Wolke davorschiebt. Wir müssen leider schon aussteigen, der Fujisan ist immer noch sichtbar! Wir freuen uns über dieses Glück, denn sehr oft sieht man ihn nicht. Am Pier muss natürlich erst einmal ein Gruppenfoto her.

Derselbe Busfahrer wie eben bringt uns dann zur Samurai-Hauptstadt Kamakura. Da sitzt eine riesige Buddha-Statue in der Tempelanlage Kotoku-in im Freien auf einem Sockel. Zu Fuß gelangen wir anschließend zur großen buddhistischen Tempelanlage Hase-dera. Auf dem Gelände befindet sich ein großer Buddha aus Holz, der Hase Kannon. Ich finde das Gartengelände um den Hase Kannon sehr beeindruckend. Es gibt viele Kois in einem angelegten Flußlauf und am Berg wachsen viele Blumen, daher wird dieser Tempel auch Blumentempel genannt. Einige Frauen in Kimonos lassen sich zusammen mit den schönen Blumen im Garten fotografieren. Für uns geht es mit Zug und U-Bahn zurück ins Hotel.

Heute Abend wollen wir zusammen essen gehen und hoffen, dass es besser klappt als am Dienstag. Yannic hat für uns reserviert und wir fahren raus bis Asakusa. Die Straße kommt mir bekannt vor und als Yannic auf ein Haus zusteuert frage ich ihn, ob sich das Restaurant im fünften Stock befindet. Nein, es liegt im vierten Stock! Ich ahne bereits, was das bedeutet und muss mich nur noch vergewissern. Als wir im Restaurant ankommen ist es sofort klar: Das ist exakt das Restaurant, in dem ich an Weihnachten 2018 mit Max, Rixa, Klaus und meiner Mutter gegessen habe. Das ist wirklich krass. Tokyo hat insgesamt über 36 Millionen Einwohner und mehr als 137.000 Restaurants und nun lande ich mit dieser Gruppe noch einmal genau hier. Es gibt Shabu-Shabu, das ist eine Art Fondu, bei dem Fleisch und Gemüse in verschiedenen Bereichen eines Topfes mitten auf dem Tisch zubereitet wird. Wir lassen es uns schmecken und freuen uns immer noch, dass wir den Fujisan heute so schön sehen konnten!

31.05.24: Weiterreise über Kanazawa nach Kyoto

Heute morgen treffen wir uns schon früh, um unseren Shinkansen nach Kanazawa zu bekommen. Unsere Koffer sind bereits im Hotel in Kyoto, meldet mein Tracker. Der Shinkansen benötigt zweieinhalb Stunden für die 370 Kilometer lange Strecke. Vom Bahnhof aus geht es mit Taxis weiter in den Naga-machi Buke Yashiki District. Dort sehen wir uns das ehemalige Haus einer Samurai-Familie an. Die ehemaligen Häuser der Kriegerfamilien sind auch heute noch bewohnt. Eines steht als Museum zur Verfügung. Wir sehen uns die alten Räumlichkeiten und die schöne Gartenanlage an.

Dann gehen wir zu Fuß weiter zum Kenroku-en-Garten, einem von drei der berühmtesten Gärten Japans. Am 21st Century Art Museum stoppen wir kurz und sehen uns draußen einige Exponate an. Das coolste ist eine verspiegelte Skulptur, in der man sich selbst mehrfach sehen kann. Es erinnert mich an die verspiegelte Bohne im Millennium-Park in Chicago. 

Es geht weiter, denn Yannic hat im Kenkrokuen-Garten einen Tisch fürs Mittagessen im Kenrokutei-Restaurant reserviert. Dort bekommen wir typisches Japanisches Essen vom Allerfeinsten. Es gibt Fisch und anderes Meeresgetier, Gemüse, Hühnerfleisch, eine Suppe und zum Abschluss Tee. Das Essen befindet sich in einer Holzschachtel auf der ein wunderschönes Blatt drapiert liegt. Nach dem Abheben des Deckels kommen die Köstlichkeiten in ihren schönen Schalen ans Tageslicht. Das Essen ist eine echte Augenweide und schmecken tut es auch super!

Nach dem Essen dürfen wir alleine im Garten lustwandeln. Ich gehe noch schnell in den angrenzenden Schrein und hole dort einen schönen Goshuin für mein Stempelbuch. Zurück im Kenrokuen-Garten sehe ich mich noch ein bisschen um, bis wir den Weg zum Bahnhof antreten. 

Jetzt geht es weiter nach Kyoto. Mein Koffer ist schon längst da, meldet mein Airtag. Ich freue mich auf mein neues Zimmer und auf Kyoto, das wir ab morgen ansehen werden. Als wir im Hotel ankommen, stelle ich fest, dass der Koffer zwei Kilometer entfernt ist. Yannic kommt von der Rezeption zurück und verteilt die Zimmerkarten. Er hat erfahren, dass die Koffer erst morgen ankommen. Offenbar liegen sie noch im Depot der Transportgesellschaft. Mir egal, ich habe noch ein frisches Shirt im Ruxsack. Einige Gruppenmitglieder gucken aber etwas sparsam und meinen, das eine Beschwerde angebracht wäre. Yannic hat mein Mitgefühl, denn er hat nichts falsch gemacht. Shit happens und das ist ein sehr kleiner Haufen, finde ich. Jetzt gehen alle erst einmal auf ihre Zimmer und arrangieren sich mit der Situation. 

Mich interessiert ja der Kyoter Fernsehturm sehr, der aber auf der anderen Seite des Bahnhofs liegt und von unserem Hotel aus nicht sichtbar ist. Es ist bereits dunkel, da könnte er doch vielleicht gut aussehen. Also mache ich mich auf den Weg. Ich muss unter dem Bahnhof hergehen, der sich schier endlos langzieht. Angekommen am Ausgang sehe ich direkt den grün leuchtenden Fernsehturm. Hammer, das gefällt mir! Ich gehe zum Eingang, denn es kann ja sein, dass ich noch schnell rauffahren kann, aber die Auffahrt ist nicht mehr möglich, es ist zu spät. Ich verschiebe daher die Auffahrt auf einen anderen Tag. Ich gehe zurück unter dem Bahnhof her und gerate dabei in ein Warenhaus.

So ein Angebot habe ich noch nie gesehen. Es ist verrückt, wie viele verschiedene Varianten es von demselben Produkt gibt. An einer langen Wand hängen bestimmt 300 Föhne. Dazu kommen weitere hunderte verschiedene Exemplare in mehreren Gängen. Es ist nicht möglich ein Foto zu schießen, dass das ganze Angebot umfasst. Dasselbe gilt für Lockenstäbe, Fahrradhelme, Koffer und so weiter. Ich sehe zu, dass ich nach Hause komme, denn es ist schon spät und kaufen möchte ich ja sowieso nichts. Das Hotel hat einen Direktzugang zum 7/11, ich besorge noch schnell ein Bierchen und mache mich auf in mein Zimmer.

01.06.24: Vom Kaiserpalast zur Teezeremonie

Beim morgendlichen Treffen berichtet Yannic, dass unsere Koffer erst im Laufe des Tages geliefert werden. Was soll‘s, jetzt ist es sowieso zu spät, um sich umzuziehen. Also bleiben die Klamotten von gestern an. Wir ziehen los zum ehemaligen Kaiserpalast. Nach einer kurzen Fahrt mit der U-Bahn, sind wir schon da. Als wir durch die Palastanlage gehen ist es ziemlich warm, die Gartenanlagen sind unglaublich schön gestaltet. Yannic erzählt uns sehr viel über die Architektur des Palastes und die Kaiserfamilie, die bis 1868 hier gewohnt hatte, bis Tokyo zur Hauptstadt wurde und der Kaisersitz dahin verlegt wurde. Er berichtet über die, bis heute ausschließlich männliche, Thronfolge und welchen Einfluss der Kaiser heute auf Entscheidungen des Parlaments hat. Dabei schreiten wir im Palastgelände herum und erfreuen uns an den schönen Gãrten.

Anschließend gehen wir zu einem Teehaus, denn Yannic hat dort eine Teezeremonie für uns arrangiert. Die Teemeisterin demonstriert die Prozedur des Teetrinkens. Danach bekommt jeder von uns eine Schale grünen Matchatee und kann das Teetrinkritual ausprobieren. Dazu bekommen wir eine spezielle Süßigkeit, die an eine Blume erinnern soll, die in dieser Jahreszeit draußen wächst. Die ganze Prozedur dauert in etwa eine halbe Stunde und dient auch zur Entschleunigung.

Wir verlassen die Teezeremonie und gehen zusammen zur U-Bahnstation. Hier können wir uns entscheiden, ob wir einen weiteren Tempel zusammen ansehen oder selbst etwas anderes machen möchten. Ich entscheide mich diesmal Erika und Stefan zu begleiten, die mit dem Zug zum Bambuswald fahren möchten. Zu dritt machen wir uns auf den Weg. Wir finden den richtigen Zug und nach zwanzig Minuten sind wir in der Nähe des Bambuswaldes. Hier ist es tierisch voll und wir müssen uns mit ziemlich vielen Leuten durch den Wald schieben. Mir fällt ein, dass heute Japantag ist, vermutlich ist es deshalb so voll. Trotzdem ist der Bambuswald sehr schön. 

Wir gehen jetzt zum Affenberg, der ganz in der Nähe liegt. Es geht einen schmalen Pfad nach oben auf einen Berg. Ich erwarte, dass mich die Tiere überfallen und verstaue alles, was lose ist, bei mir im Ruxsack. Es kommt aber ganz anders. Oben auf dem Berg gibt es einige Affen, die aber nicht aggressiv sind. Zusätzlich haben wir einen grandiosen Ausblick auf ganz Kyoto. Das hat sich mal gelohnt. Der Abstieg geht schnell und unten angekommen genehmigen wir uns erst einmal ein eiskaltes Bier in einer Bar. Dann treten wir den Heimweg an. Stefan und Erika wollen nach Hause. Ich fahre noch weiter bis zum Nikishi-Spezialitätenmarkt. Das Angebot an Leckereien aller Art ist gigantisch. Viele kleine Verkaufsbuden reihen sich aneinander und bieten ein schier endloses Angebot an Fingerfood. Alles wird frisch zubereitet. Ich probiere zwei Reisbällchen mit Erbeeren, die ausgezeichnet schmecken. 

Dann gehe ich aber weiter zum Schalladen, denn Hagi benötigt einen Schal vom FC Kyoto. Der Fanartikelladen ist schnell gefunden und ich halte das gute neue Stück in den Händen. Jetzt brauche ich aber auch mal eine Pause. Das Hard Rock Café ist nagelneu und nicht so weit entfernt. Nachdem ich zuerst einen Pin im Rockshop gekauft habe, will ich an die Bar und muss leider feststellen, dass es diese noch gar nicht gibt. Die Verkäuferin vertröstet mich auf den Herbst, aber das nützt mir heute gar nichts. Schade. Ich gehe zur U-Bahn und fahre bis zum Kyoto Tower, kaufe mir ein Ticket und fahre nach oben. Die Aussicht bei Dunkelheit ist sehr toll, aber nun bin ich doch mal etwas müde. Ich fahre wieder runter und gehe nach Hause. Im 7/11 besorge ich noch schnell ein paar Chips und ein paar Getränke, denn heute Nacht um 04:00 Uhr beginnt das Finale der Championsleague zwischen dem BVB und Madrid. Die Technik funktioniert zumindest am Handy und Stefan und Erika kommen in ihren BVB-Shirts zu mir rüber. Wir werden dann doch keine Champions, aber zumindest legt Borussia Dortmund ein ordentliches Spiel hin.

02.06.24: Die Origami-Kraniche von Hiroshima

Heute besuchen wir einen geschichtsträchtigen Ort. Wir machen einen Tagesausflug nach Hiroshima. Am 6. August 1945 um 08:15 Uhr wurde die erste Atombombe der Menschheit von amerikanischen Streitkräften über Hiroshima abgeworfen. Ein grelles Licht, gefolgt von einer unvorstellbaren Explosion legte die Stadt innerhalb von Sekunden in Schutt und Asche. Ungefähr 70.000 Menschen, etwa die Hälfte der Einwohner, verbrannten sofort bei lebendigem Leib. Wer überlebte, war oft grausam entstellt durch die Gluthitze oder erlitt furchtbares Leid durch die Krankheiten, die aufgrund der radioaktiven Strahlung folgten.

Im Friedensmuseum, dass sich im Friedenspark befindet, sind die Ereignisse um dieses grausame Inferno auf eindrückliche und ergreifende Weise dokumentiert. Es befindet sich unweit des ehemaligen Gebäudes der Industrie- und Handelskammer, der sogenannten Atombombenkuppel, welche als Hypozentrum der Atombombenexplosion gilt. Dieses Gebäude ist damals nicht vollständig zerstört worden und steht nun als Mahnmal am Rande des Friedensparks.

Nach dem Museumsbesuch gehe ich alleine weiter durch den Friedenspark, in dem viele Gedenksteine und Monumente an den Atombombenabwurf erinnern und nachdenklich machen. Sehr oft sieht man kleine bunte Kraniche aus Papier an den Denkmälern hängen. Sie sind zu einem Friedenssymbol geworden, weil ein Mädchen namens Sadako Sasaki zum Zeitpunkt des Atombombenabwurfs zweieinhalb Jahre alt war und danach zunächst gesund aufwuchs. Mit 12 Jahren bekam sie aber Leukämie. Sadakos beste Freundin erzählte ihr dann von einer alten japanischen Legende, nach der derjenige, der 1000 Origami-Kraniche faltet, von den Göttern einen Wunsch erfüllt bekäme. Sadako begann daraufhin, während ihres mehrmonatigen Krankenhausaufenthaltes Papierkraniche zu falten. Nachdem sie innerhalb von weniger als einem Monat 1000 Kraniche fertiggestellt hatte, setzte sie ihre Arbeit in der Hoffnung auf Heilung fort. Nachdem sie rund 1600 Kraniche gefaltet hatte, starb sie. Ihre Lebensgeschichte kennt jeder in Hiroshima und aufgrund der weltweiten Verbreitung und Anteilnahme, die die Geschichte von Sadako Sasaki fand, wurden Origami-Kraniche zu einem Symbol der internationalen Friedensbewegung und des Widerstands gegen den Atomkrieg. 

Ich habe noch etwas Zeit bis wir uns wieder treffen. Mein Blick geht nach oben und ich entdecke zufällig den Orizuru Tower, von dessen 5. Etage aus man von oben auf die Atombombenkuppel sehen kann. Ich fahre nach oben und habe auch einen guten Rundumblick über Hiroshima. Umgeben von Bergen hat sich Hiroshima trotz der tragischen Vergangenheit zu einer attraktiven und lebenswerten Stadt entwickelt. 

Dann treffen wir uns an einem Bootsableger wieder. Da sehe ich etwas sehr ungewöhnliches. Steht da doch tatsächlich eine kleine rote Mülltonne. Es ist die erste nach einer Woche in Japan. Eigentlich gibt es sie hier gar nicht, denn meistens gibt man seinen Müll einfach irgendwo ab oder man nimmt ihn mit nach Hause oder in ein Toilettengebäude. Nirgendwo liegt Müll herum, obwohl es so gut wie keine Mülleimer gibt. Das ist in Europa nicht vorstellbar. Dann fahren wir mit einem Boot durch die Hiroshima Bay zur Insel Miyajima. Auf der Insel werden wir von freilaufenden Rehen begrüßt, die sich an die Touristen gewöhnt haben und sehr zutraulich sind. Wir laufen zur Hauptattraktion der Insel, dem schwimmende Torii, der Itsukushima-jinja genannt wird. Er liegt im Wasser und scheint über dem Wasser zu schweben. Wir sind natürlich nicht die einzigen hier, es ist rappelvoll auf der Insel und jeder möchte Fotos vom Schrein machen. Ich bin froh, dass keine Ebbe ist, denn sonst würden lauter Verrückte um den Schrein herumlaufen und es wäre gar nicht möglich ihn ohne Im-Weg-Steher zu fotografieren.

Wir sehen uns noch zusammen den Daiganji-Tempel an, der der Göttin der Musik, Kunst und des Wassers gewidmet ist. Dann laufen wir zurück durch eine lange Einkaufsstraße, in der es neben vielen Souvenirläden auch jede Menge Imbissstände gibt. Ich probiere gebackene Austern mit Käse und Tomatensauce, dazu ein kaltes Asahi und die Pause ist perfekt. Anschließend treffen wir uns am Bootssteg wieder und fahren mit Boot, Zug und Schinkansen wieder zum Hotel zurück. Natürlich sind alle Verkehrsmittel einfach immer exakt pünktlich. Es gibt auch keine Gleiswechsel oder so etwas.

Für den Abend hat Yannic uns eine Karaoke-Bar reserviert. Das ist zwar nicht gerade mein Traum, aber es ist zumindest populär in Japan und ein Teil der Partykultur. Ich bin gespannt. Es kommen leider nicht alle mit, aber bestimmt wird es ein lustiger Abend zusammen. Bisher ist die Truppe ja eher bedächtig unterwegs. Es wird viel besser als gedacht. Wir bekommen einen Raum und jeder darf einige Titel in ein Programm eintippen und speichern. Die Reihenfolge der Titel, die gespielt werden, ist somit festgelegt. Von ABBA über Britney Spears bis zu Whitney Houston wählen wir alle möglichen Titel aus. Yannic singt sogar zu einem japanischen Lied. Es gibt zwei Mikrophone und alle singen so gut mit, wie sie können. Zwischendurch kann man Getränke bestellen, die dann hereingebracht werden. Das macht so viel Spaß, dass wir die vorgegebene Zeit zweimal verlängern. Gut gelaunt gehen wir danach zusammen nach Hause!

03.06.24: Tempeltag in Kyoto

Unser Tag beginnt mit einer Busfahrt zum Kiyomizu-dera, dem Tempel des klaren Wassers. Er ruht auf in den Berg gehauenen Holzpfeilern. Von hier oben hat man einen schönen Blick auf die Stadt. Allerdings bekommt man am Tempel kaum ein Bein auf die Erde, weil sich dort Menschenmassen tummeln. Ich laufe mit Stefan und Erika weiter hoch durch den Wald bis zu einem kleinen Tempel, der wunderschön gelegen ist. Schon auf dem Weg finden wir immer wieder schöne Fotomotive im Grünen.

Dann treffen wir uns wieder mit der Gruppe und Yannic überrascht uns mit Yatsuhashi, speziellen süßen Teigtaschen aus Reismehl, für die Kyoto berühmt ist. Die schmecken super! Wir laufen weiter durch eine Straße mit lauter kleinen Läden, die so voll ist wie eben der Tempel. Yannic lässt uns an einer Stelle loslaufen, an der wir uns später wieder treffen können. Danach spazieren wir zusammen durch den Maruyama-Park weiter zum Yasaka-Schrein und zum Chion-in Tempel. Hier befindet sich die größte Glocke Japans. Sie ist 3,30 Meter hoch und wiegt mehr als 70 Tonnen – ein Team von 17 Mönchen ist erforderlich, um sie an jedem Neujahrsabend zu läuten. Der Chion-in-Tempel ist zum Teil auch Drehort des Films:„Der letzte Samurai“ gewesen. Wie überall in Kyoto sind auch hier sehr schöne Gartenanlagen rings um die Tempel herum.

Die letzte Station des Tages ist das Nijo-jo Castle, der ehemalige Sitz des Kaisers. Ein Teil davon ist für Besucher freigegeben. Yannic kennt sich auch hier bestens aus und führt uns durch die Gänge. Er erklärt jede Raumbemalung und kennt jeweils auch sämtliche Daten zur Entwicklungsgeschichte. Auch wenn er diese Tour nicht zum ersten Mal macht, sind seine Kenntnisse immer wieder extrem beeindruckend. Er hat eine ganze Datenbank über die japanische Geschichte, Kultur und Sprache im Kopf und kann die Inhalte auch noch so transportieren, dass man ihm gerne zuhört und sich nicht langweilt.

Wir betreten also die kaiserlichen Räumlichkeiten und hören auf dem Rundgang permanent ein Zwitschern. Vögel sind nicht in der Nähe. Dafür sind die Fußbodenplanken so konstruiert, dass sie beim Betreten quietschen. So konnte sich niemand heimlich dem Kaiser nähern und ihn womöglich bedrohen. Die wichtigsten Empfangsräume waren mit Tigern an den Wänden bemalt. Manche Tiger sehen allerdings wie kleine Leoparden aus. Da Tiger und Leoparden nicht in Japan vorkommen, hat man diese Bilder von den Chinesen abgeguckt. Die Japaner dachten dabei, dass diese „Tiger mit den Punkten“ junge Tiger seien und die Punkte zu Streifen werden, wenn die Tiger ausgewachsen sind. Daher sind sie die Leoparden alle kleiner dargestellt als die „ausgewachsenen“ Tiger. Leider darf man hier keine Fotos machen. Der Garten des ehemaligen Palastes ist, wie erwartet, auch sehr schön anzusehen. Hier gibt es sogar drei Müllbehälter nebeneinander. Unfassbar.

Wir fahren zusammen zurück zum Hotel. Heute Abend ist für uns eine japanische Show in einem Theater geplant. Die muss ich nicht unbedingt sehen, daher fahre ich mit dem Zug nach Osaka zum Hard Rock Café, dass mir noch auf meiner Liste der besuchten Hard Rock Cafés fehlt. Mit einem Umstieg am Bahnhof in Osaka bin ich nach einer Stunde da. Leider ist es zu spät, um sich auch noch die Stadt anzusehen, aber das kann ich ja bei meinem nächsten Japanbesuch machen. Jetzt fahre ich erst einmal zurück ins Hotel nach Kyoto.

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05.06.24: Heilige Hirsche in Nara

Wir fahren nach Nara, eine der früheren Hauptstädte Japans. Auf dem Weg zum Kofukuji, einem der ältesten und berühmtesten Tempel Japans, kaufen wir Klebereistaschen, sogenannte Mochi, mit einer Bohnenfüllung. Die sind nur leicht süß und saulecker. Interessant sind die beiden Lotsen, die uns direkt vorm Laden am Zebrastreifen den Weg über die Straße weisen. Yannic erklärt, dass diese Lotsen zu dem Mochiladen gehören und wenn etwas später am Tag die Touristenmassen die Straße in Beschlag nehmen, dann sorgen sie dafür, dass die Straße befahrbar bleibt. Na gut, das klingt dann doch nicht ganz so nutzlos.

Wir laufen weiter zum Kofukuji. Drinnen dürfen wir leider keine Fotos von der goldenen Buddhastatue machen. Na gut, dann gehen wir weiter durch einen Park zum Todai-ji– Tempel. Auf dem ganzen Areal begegnet man vielen heiligen Sikahirschen, die sehr zutraulich sind. Die Heiligenscheine sind wegen der Sonne allerdings schlecht zu erkennen. Im Todai-ji-Tempel sitzt die weltgrößte Buddhastatue aus Bronze. Sie befindet sich im weltgrößten Holzgebäude und dieses hier ist schon nur eine Replik des noch größeren Originals. Hier ist man nicht so streng und wir dürfen auch Fotos vom Buddha machen. 

Zum Mittagessen verlasse ich die Gruppe, denn ich möchte auf dem Rückweg nach Kyoto unbedingt noch zum Fushimi Inari Taisha, einem Schrein der Shintos, der durch seine 10.000 roten Torii bekannt ist. Es geht durch sehr viele Torii einen Berg hinauf und ich benötige ungefähr eine Stunde für die ganze Runde. Der Weg nach oben wird durch diese roten Torii gesäumt, die ich wunderbar finde! Für Fotos sollte man dabei allerdings auf die Blickrichtung achten. Von unten gesehen haben die Torii nämlich keine Schriftzeichen an den Pfosten. Wenn man von oben nach unten sieht, dann erkennt man erst die schönen schwarzen Schriftzeichen auf der roten Farbe. Viele Leute merken das gar nicht und wundern sich, wenn ich ihnen den Tipp gebe. 

Da heute unser letzter Abend mit unserem Guide Yannic ist, schlage ich der Gruppe vor, ihm zum Abschied etwas Trinkgeld zukommen zu lassen. Anstatt einer Karte, auf der alle unterschreiben, kaufe ich einen kleinen roten Torii. Die Verkäuferin schreibt für mich in japanischen Zeichen „Arigatō Gozaimasu”, was „Vielen Dank“ heißt, oben auf den kleinen Schrein. 

Wir gehen zusammen zum Abendessen und es gibt Teppanyaki, das ist eine heiße Platte auf dem Tisch, auf der das Essen vor den Augen gebrutzelt wird. Vor dem Essen überreichen wir Yannic den Torii mit allen Unterschriften und bedanken uns bei ihm für die hervorragende Zeit, die wir mit ihm hatten. Er freut sich sehr und sagt, dass er bisher noch nie einen Torii von einer Gruppe geschenkt bekam. Das gemeinsame Essen macht viel Spaß. Alle sind auf der einen Seite traurig, dass die Japanreise nun zu Ende geht, auf der anderen Seite freuen wir uns aber auch auf unsere Weiterreise. 

Fazit

Japan hat mir wieder einmal ausgesprochen gut gefallen. Die tausendjährige Kultur mit Teezeremonien, Tempeln und Schreinen im Einklang mit hochmodernen Städten, grandioser, stylischer Architektur, Wolkenkratzern und Karaokebars beeindrucken sehr. Überall findet man praktische Alltagsdinge, die jedem nützlich sind. Alles ist gut beschildert und erklärt, damit man nichts falsch macht. Kenta, der U-Bahnfahrer aus dem Zug und Yoyo waren sich allerdings einig. Die Hilfestellungen an jeder Ecke sind doch etwas „overloaded“. Das denke ich auch, aber dafür findet man sich immer gut zurecht. 

„Arigato gozaimasu“, also „Vielen Dank“, habe ich täglich tausende Male gehört, oft schon beim Betreten eines Ladens oder beim Überqueren eines Zebrastreifens beim freundlichen Winker. Die extreme Freundlichkeit ist manchmal etwas merkwürdig und das etwas unterwürfige Verbeugen muss man schon mögen. Aber hier macht es einfach jeder, so dass es widerum ganz normal wirkt. Ein Scheibchen davon könnte so manchem in Europa nicht schaden! Das „Arigato gozaimasu“ wird mir sicher noch lange in Erinnerung bleiben.

Ich bin froh, dieses Mal auch Orte außerhalb von Tokyo besucht zu haben. Das Reisen in der Gruppe ist mit unserem Guide Yannic fantastisch gewesen. Leider waren die Gruppenmitglieder abends immer so müde, dass sie außerhalb des Programms nichts mehr unternehmen wollten. Selbst die jüngeren wollten sich immer ausruhen. Dann konnte ich mich meinen Fotos und dem Blog widmen oder nach Hause telefonieren, was ja ganz praktisch war. Was mir in Japan gefehlt hat, waren eindeutig die Mülleimer. Manchmal musste ich meinen Müll den ganzen Tag mit mir herumschleppen, bevor mir ein Müllbehälter begegnet ist. Trotzdem funktioniert es einfach und die Straßen sind überall sauber. Das ist sehr respektabel.

Ich habe Lust auf viel mehr Japan bekommen und möchte unbedingt bald wiederkommen. Der Mann zu Hause möchte dann aber auch mit…

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Zu den Alltagshelfern

In Japan ist jeder Mensch freundlich, hilfsbereit und extrem höflich! Beispielsweise verbeugt sich der Zugbegleiter bei Betreten eines Abteils, um die Fahrgäste zu begrüßen und ebenso beim Verlassen des Abteils, um sich von den Fahrgästen zu verabschieden. Wenn er von Waggon 1 zu Waggon 12 geht, verbeugt er sich ganz schön oft.

Wo immer man etwas bezahlen oder abgeben muss, übergibt man es mit beiden Händen. Man nimmt auch immer mit beiden Händen etwas entgegen. Das haben wir auch gemacht, obwohl es schon ungewohnt ist. Und es ist ausgesprochen unpraktisch, weil man immer beide Hände frei haben muss. Aber es ist immer sehr höflich. Niemand schubst oder drängelt, man reiht sich immer hinten ein und im Zweifel lässt man den anderen mit einer freundlichen Geste vor. 

Japan ist extrem praktisch, jedenfalls meistens. Für alles, was man benötigen könnte, gibt es eine Unterstützung. Auf den Toiletten gibt es oft kleine Körbchen in der Ecke. Hier kann beim Pinkeln sein Baby kurzerhand parken. Natürlich wird auch das auf einem Schild erklärt. Natürlich gibt es immer zwei Klopapierrollen nebeneinander, denn es könnte ja eine mal leer werden. Tatsächlich habe ich nicht ein Mal eine leere Klopapierrolle in einer öffentlichen Toilette gesehen. Zusätzlich gibt es in der Kabine manchmal eine ausklappbare bodennahe Ablagefläche für Taschen oder sonstige Dinge, die man nicht auf den Boden stellen möchte.

An allen Ecken und Enden stehen die freundlichen Alltagshelfer, die den Weg weisen oder vor Gefahren warnen. Man ahnt gar nicht wie gefährlich es an manchen Stellen ist, wenn es die Alltagshelfer nicht gäbe.

In der Poststation gibt es für die Kunden selbstverständlich Klebe, Scheren und Stifte. Für weitsichtige Menschen gibt es Lesebrillen in verschiedenen Farben. Das alles ist natürlich ordentlich in einem Aufsteller geparkt und muss nicht angekettet werden. Es ist einfach immer da, niemand würde auf die Idee kommen, es nicht zurück an seinen Platz zu stellen.

An der Bushaltestelle hängen Megaphone und Wasserflaschen für Buseinstiegshelfer herum. Wenn ein Bus eintrifft, dann kann vor den Gefahren beim Einstieg gewarnt werden und der Alltagshelfer kann zwischendurch seinen Durst löschen und die Stimme für die nächste Ansage ölen.

Es gibt abschließbare Regenschirmständer und Regenschirmverleihstationen. Es gibt Sitzbänke, die man aufklappen kann, um seine Tasche abzustellen, damit sie nicht auf dem Boden geparkt werden muss. An den Tempeleingängen gibt es Ausleihtüten für Schuhe, die man am Ausgang wieder zurückgibt. Das wird auf einem Schild natürlich ausführlich erklärt. Alle Erklärungen findet man immer auch in Englisch und mit eindeutigen Symbolen. Manchmal gibt es zusätzliche bunte Schilder für Kinder.  

In den U- Bahn oder Bahnstationen gibt es genügend Hinweisschilder, wo sich welcher Bahnsteig befindet und wann welcher Zug wohin fährt. Am Bahnsteig gibt es Schilder für die richtige Aufstellposition, damit das Aus- und Einsteigen schnell vonstatten geht. Und natürlich hält sich jeder daran, stellt sich passend auf und drängelt nicht. Die Züge sind quasi immer pünktlich und halten exakt an der vorgesehenen Stelle.

Es ist praktisch für alles vorgesorgt. Nur Mülleimer, die gibt es quasi nirgends!