26.08.23: Finisterre

Heute fahre ich mit dem Bus nach Finisterre. Dort kann man den 0,000 km-Stein finden, der das eigentliche Ende des Jakobsweges kennzeichnen soll. Einige Pilger laufen von Santiago aus weiter bis ans Meer nach Finisterre. Das sind ungefähr einhundert Kilometer. Ich finde nach der Anstrengung eine Autofahrt prima. Mit im Auto sitzen Geónne und Remy, mit denen ich am ersten Tag eine Zeit lang zusammen gelaufen bin und Patricia aus Berlin. Sie sparen die Fahrt mit einem öffentlichen Bus und ich fahre nicht alleine.

Im Ort gibt es nur eine Art Campingplatz, ohne Dusche und Klo. Für zwei Nächte ist das aber OK. Leider steht am Eingang ein Schild „completo“. Ich parke am Eingang und frage den netten Stellplatzbesitzer, ob er vielleicht noch einen schmalen Platz für mich hat. Er läuft über das Gelände und sagt, dass er leider nichts frei hat. Dann sehe ich eine Lücke zwischen zwei Wagen und frage, ob ich nicht da stehen kann. Er geht zu den spanischen Familien links und rechts und sagt, dass ich dort stehen soll. Sofort schaffen sie etwas Platz, damit ich einparken kann. Ich parke einfach längs ein, dann benötige ich am wenigsten von ihrem Platz. Eine Spanierin kommt zu mir und sagt, ich müsse anders einparken, nämlich quer, damit ich auch den schönen Meerblick habe. Diese Idee finde ich genial. Der Stellplatzbesitzer holt eine Rampe für mich, da das Gelände ziemlich schräg ist. So kann ich mich optimal hinstellen und sehr schön aufs Meer sehen. 

Nachdem der Bus für die Nacht vorbereitet ist, will ich mir den Ort ansehen. Vorher bekomme ich eine Nachricht von Carlotta und Alessandro, die schon gestern nach Finisterre gefahren sind. Sie fragen, ob wir uns treffen können. Wir treffen uns im Hafen und setzen uns in ein kleines Restaurant. Die beiden haben nur noch ein paar Stunden Aufenthalt hier und dann geht ihr Bus zurück nach Santiago, von da aus geht es am näxten Tag weiter nach Mailand. Sie geben mir eine kleine Papiertüte und ich wundere mich. Dann packe ich eine Halskette mit einer kleinen gelben Muschel aus. Die wollen sie mir unbedingt schenken, weil ich meine Holzmuschel nicht wieder zurück bekommen habe. Verrückt! Ich freue mich sehr über diese wunderbare Überraschung!

Dann erkunde ich den Ort mit meinem Fahrrad. Der 0,000 km-Stein befindet sich oben auf dem Berg am Leuchtturm. Mit dem Fahrrad bin ich schnell oben, zwischendurch habe ich grandiose Aussichten aufs Meer. Am Stein mache ich ein paar Fotos und gehe ein Stück weiter zum Meer. An der äußersten Spitze hat man einen Rundumblick von Westen bis Osten auf den Atlantik. Das wäre eigentlich ein sehr schöner Platz für ein Picknick. Als ich wieder am Bus ankomme, schreibe ich Géonne, ob wir uns nicht am Supermarkt treffen wollen und ein paar Dinge für ein Picknick besorgen sollen, um dann den Sonnenuntergang am Leuchtturm zu verbringen. So machen wir es dann auch. Remy und Patrizia sind auch dabei.

Wir sind nicht die einzigen mit dieser Idee, so dass am Leuchtturm ganz schön viel los ist. Aber Wein und andere Leckereien haben nur wir dabei. Als die Sonne im Meer versunken ist, holt Géonne ihre Gitarrita aus der Tasche und spielt für uns und singt dazu. Sie ist Musikerin und Sängerin, schreibt eigene Songs und tritt auch auf Festivals, zumeist in den Niederlanden, auf. Wir lauschen der schönen Musik und sehen aufs Meer.

Am näxten Tag schlafe ich zum ersten Mal wieder aus. Kein Wecker klingelt, damit ich um sechs Uhr loswandere oder mit dem Bus weiterfahre. Ich lasse mich treiben und fahre zum Strand Praia Da Langosteira, der am Ortsrand liegt. Etwas versteckter auf der anderen Seite der Landzunge liegt der langgezogene Praia do Mar de Forá. Er ist fast menschenleer und wunderschön. Wir beschließen heute Abend den Sonnenuntergang hier anzusehen.

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28.08.23: Muxia

Muxia ist ein ebenso kleiner Ort wie Finisterre. Er liegt dreißig Kilometer weiter im Norden und ebenso auf einer Landzunge. Remy läuft heute zu Fuß dorthin. Das ist eine Tagesetappe von 28 Kilometern, also nicht weit für einen Peregrino. Géonne begleitet mich im Bus und wir sehen uns unterwegs die Wasserfällen Caldeiras Do Castro an. Wir sind ganz alleine da, obwohl es ein beliebtes Ausflugsziel ist. Vermutlich sind wir zu früh für die Sonntagsausflügler. 

Wir fahren weiter nach Muxia und halten dort direkt am Leuchtturm an. Nun ist es wirklich gut, dass wir früh dran sind, denn ich möchte auf dem Parkplatz übernachten. Ich bekomme einen fantastischen Stellplatz mit Blick auf den Leuchtturm. Eine halbe Stunde später ist der Parkplatz rappelvoll. Das Parken kostet nichts, wie so oft in Spanien. 

Wir laufen ein bisschen am Leuchtturm herum und staunen über die Felsen im Meer und die ebenso felsige Landschaft. Es gibt einen kleinen Berg, Monte Corpiño, den wir erklimmen und von da oben haben wir einen schönen Ausblick auf die bunten Häuser von Muxia. An diesem Ende der Welt steht die Wallfahrtskirche A Virxe da Barca, einem der bedeutendsten Pilgerziele in Galizien. Hier soll die Mutter Gottes auf einem Schiff gelandet sein, um den Heiligen Jakob bei der Bekehrung der Menschen zum Christentum zu unterstützen.

Neben der Kirche steht das elf Meter hohe Monument A Ferida, das an die Tankerkatastrophe 2002 erinnern soll, bei der 66000 Tonnen Öl vom Tanker Prestige die galizische Küste verseuchte. Es soll eine blutende Wunde darstellen.

Zum Mittagessen gehen wir in den Ort und treffen Remy wieder. Dann gehe ich zurück zum Bus, halte ein Mittagsschläfchen und freue mich über die schöne Aussicht aus der zweiten Etage der Cherry Lady. Abends sitzen wir zusammen am Monument und genießen den Sonnenuntergang. Rainer, der meine Caminogruppe in Triacastela verlassen hat, ist auch in Muxia und setzt sich zu uns.

Als ich am näxten Morgen aufwache, ist es bewölkt und kühl. Also ein idealer Tag zum Besuch der Lavanderia, also eines Waschsalons. Ich schnappe meine Wäsche und fahre mit dem Fahrrrad ins Dorf. Niemand ist so früh da, alle Maschinen sind frei. Ich warte bis die Wäsche fertig ist und plane während dessen die weitere Reise. Heute muss ich Abschied nehmen von Remy und Géonne, die mir mittlerweile ans Herz gewachsen sind. Wir haben so viele schöne gemeinsame Erlebnisse, an die wir uns immer erinnern werden. Hoffentlich sehen wir uns mal wieder.

Angekommen am Bus, erhalte ich eine Einladung von Remy und Géonne zum Abendessen. Sie sind in einer Albergue mit Küche und wollen zusammen kochen. Ich fahre mit dem Fahrrad zur Albergue und bringe Wein mit. Außer uns ist noch ein spanisches Paar in der Albergue, die auch mit uns essen. Es ist wieder ein buntes Englisch-Spanisch-Kauderwelsch am Tisch. Géonne spielt wieder ihre Gitarrita und singt dazu und Remy holt seine Ukulele hervor. Ich genieße die Lieder zusammen mit den beiden Spaniern. Da mich die Ukulele an Hawaii erinnert, wünsche ich mir den Song Somewhere Over The Rainbow. Das Lied singen beide im Duett und es ist einfach grandios ihnen zuhören zu dürfen. 

Anschließend müssen wir uns wirklich verabschieden. Géonne fährt morgen zurück nach Santiago und Remy läuft zu Fuß dorthin. Géonne fliegt dann zurück nach Holland. Remy sehe ich vermutlich in Porto wieder. Darauf freue ich mich schon.